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Wasser, Winter
und Indianer

Mit dem Fernsehen auf Reisen

Selbst zu reisen, ist bekanntermaßen schöner, doch sich Reisereportagen aus aller Welt anzuschauen, hat eben auch einen hohen Reiz. Drei Beiträge in der ARD und im ZDF lohnen an diesem Weihnachts-Sonntag das Anschauen.

In dem Film »Das Postschiff Ihrer Majestät« von Walter Helfer geht es um 18.10 Uhr in der ARD mit der »RMS St. Helena« in den Südatlantik. Der 6800-Tonnen-Frachter hält sozusagen die Reste des britischen Empires am Leben. Dreimal im Jahr verlässt das Schiff seinen Heimathafen Portland mit Kurs auf eine ferne Kronkolonie - die Inseln Ascension, St. Helena und Tristan de Cunha. Das Schiff der königlichen Post versorgt 5000 Untertanen auf den unwirtlichen Felsinseln im Südatlantik mit Fracht zum Leben und Überleben.
Eindeutig näher dran ist das ZDF um 19.15 Uhr mit der Reportage »Insel im Wind« von Bernd Mosebach. Gemeint ist die einzige Hochseeinsel der Deutschen, Helgoland nämlich, die namentlich im Winter oft unerreichbar in der Nordsee liegt. Winterstürme und die ausgedünnten Fahrpläne sorgen dafür, dass die etwa 1500 Insulaner unter sich bleiben. Der Autor begleitet die Einwohner bei ihrer »Winterpause«, erzählt von Insel-Originalen und ihren Geschichten und zeigt stimmungsvolle Ansichten vom »Winter auf Helgoland.«
Bei der ARD landet Klaus Bednarz um 22.00 Uhr »Am Ende der Welt«. Der ehemalige Korrenspondent, der sich sich bereits mit Reisereportagen einen Namen machte, schildert in zwei Teilen (zweiter am Montag) »Eine Reise durch Feuerland und Patagonien«. Je fünf Wochen, im Sommer und im Herbst, war Bednarz mit einem kleinen Team unterwegs, darunter die Dolmetscherin Liliane Seelmann, »der Glücksfall der Produktion« (Bednarz). Sie spricht nicht nur Spanisch und indianische Dialekte. Sie wusste auch bei den Interviews mit Indianern deren oft blumig-barocke Weitschweifigkeit auf den Punkt zu bringen.
Die Länder waren Bednarz schon von einer früheren kurzen Reise her bekannt. Doch erst jetzt entdeckte er sie für sich wirklich und tauchte ein in eine Welt, an der ihn dieses am meisten erstaunte: »Es ist seltsam, wie nah die mir vertraute sibirische Kultur der dortigen Urbevölkerung ist, bis hin zu den Trommeln der Schamanen, die ganz ähnliche Zeichen tragen. Auch den Ritus, der Erde Nahrungsmittel zu opfern, gibt es hier wie dort.«
Vergleichbar war leider auch die Missionierung beider Regionen: »Hier wie dort vollzog sie sich mit ÝFeuer und SchwertÜ. Das ÝFeuerÜ war in Sibirien der Wodka, mit dem die Urbevölkerung gefügig gemacht wurde, in Patagonien und Feuerland Whisky und Gin.« Der indianischen Urbevölkerung, deren Überreste - »Indianer ist heute, wer sich als Indianer fühlt« - allmählich zu einem neuen Selbstbewusstsein finden, galt Bednarz' besonderes Interesse. Im übrigen durchzieht die beiden Filme, unterstrichen durch originale Flötenmusik, eine ausgeprägte Melancholie, wie sie zu der Landschaft und ihren Menschen gehört.

Artikel vom 24.12.2004