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Kreis
erzwingt
Schulpflicht

14 Bußgelder verhängt

Von Bernhard Liedmann
Kreis Paderborn (WV). Mit drastischen Bußgeldern erzwingt derzeit der Kreis Paderborn die Schulpflicht von Grundschülern bei baptistischen Familien unter anderem in Paderborn und Buke. Sieben Familien erhielten entsprechende Verfügungen: 250 Euro pro Elternteil.

Sollte dies nicht wirken, werden demnächst Mitarbeiter der Ordnungsämter vor den Haustüren stehen und die Kinder zur Schule bringen. Wenn dies auch nicht geht, kommt notfalls die Polizei, der Entzug des elterlichen Sorgerechts wäre der Schlusspunkt der Sanktionen. Bei den sieben Familien sind insgesamt 13 Kinder betroffen, die grundsätzlich den Besuch der Grundschule boykottieren. Insbesondere der Religions- und der Biologieunterricht (Sexulkunde) verletze das Wohl ihrer Kinder, begründen die Eltern.
Doch das Schulamt des Kreises will auch als Präzedenzfall die Schulpflicht in diesen Fällen durchsetzen. Die Schulpflicht müsse durch den Besuch einer Schule erfüllt werden, betont Kreisdirektor Heinz Köhler.
Die betroffenen sieben Familien beziehen Material der Deutschen Fernschule in Wetzlar oder der Philadelphia-Schule in Siegen, um ihre Kinder selbst zu unterrichten. Dabei handelt es sich, so der Kreis Paderborn, aber nicht um eine staatlich anerkannte Ersatzschule. Doch trotz mehrerer Gespräche und Schreiben seitens der Schulen wollten die Eltern nicht einlenken, somit wurde die Weigerung erst einmal als Ordnungswidrigkeit eingestuft. Die Kinder und Familien lebten nicht in einer inselhaften Isolation, sondern in einer Umwelt, in der man auch Abstriche vom weltanschaulichen Verständnis hinnehmen müsse, heißt es in der Begründung der Bescheide.
Die Kinder müssten sich im späteren Leben in die Gemeinschaft integrieren können. Eine Erziehung werde dem aber nicht gerecht, wenn unter Berufung auf religiöse Dogmen dem Kind bereits die Möglichkeit vorenthalten wird, in die Gemeinschaft hineinzuwachsen, wozu auch ein sozialer Kontakt zu Gleichaltrigen zählt.
»Jedenfalls während der ersten vier Klassen sollten Kinder sämtlicher Volksschichten, sämtlicher sozialer Klassen und sämtlicher religiösen und weltanschaulichen Bekenntnissse zusammengeführt und gemeinsam unterrichtet werden, um nicht zuletzt gleiche Bildungschancen für alle herzustellen«, so Köhler weiter. Ausnahmfälle seien dauernde Krankheit oder Lebensumstände, die wie beispielsweise bei Zirkusfamilien einen ständigen Ortswechsel erfordern.OWL-Seite

Artikel vom 23.12.2004