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Bremste eine Bank Dürkopps Autos?

»Ravensberger Blätter«: Erste Forschungen über die heimische Industrie

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Noch immer klaffen riesige Lücken in der Erforschung der heimischen Industriegeschichte. Die neueste Ausgabe der »Ravensberger Blätter« versammelt fünf erste Beiträge, die diesem Misstand abhelfen. Eine Pionierleistung.

Im Mittelpunkt steht die Firma Dürkopp, deren schriftliche Unterlagen - sie liegen großenteils im Stadtarchiv - erstmals systematisch ausgewertet wurden. Zum Auftakt zeichnet der Bielefelder Historiker Harald Wixforth ein Porträt Nikolaus Dürkopps: verdienstvolle Leistung und ein Wagnis zugleich, denn weil der Unternehmer auf seinem Weg vom Handwerker zum Firmenpatriarchen nie lesen und schreiben lernte, ist die Quellenlage dürftig.
»Bielefeld und sein Umland zählen zu den stärksten Wirtschaftsstandorten Deutschlands«, erklärte Wixforth. Um so merkwürdiger, dass die Forschung das Thema so stiefmütterlich behandle.
In der Tat. Dürkopp bietet Stoff für Geschichten, gesellschaftliche wie ökonomische. In der Bielefelder Haute Volée blieb der bildungsferne Tüftler zeitlebens ein Außenseiter. Und es gibt Indizien dafür, dass die Deutsche Bank, die aus Furcht vor schweren Verlusten die Fusion der kränkelnden Automobilbauer Daimler und Benz erzwang (1926), im gleichen Atemzug dem Konkurrenten Dürkopp den Geldhahn zudrehte.
Autos aus Bielefeld - diesen fast verschollenen Schatz hebt Robert Cohnen. Der Historiker hat, buchstäblich weltweit, alle noch existierenden Dürkopp-Wagen aufgespürt. Darunter ist auch der mangels Gegenwehr unlängst nach Hagen verkaufte »Kuxmann-Canello«, der lange im Historischen Museum zu bestaunen war.
Mit allen erdenklichen Tricks, oft jenseits des Erlaubten, versuchte einst Nikolaus Dürkopp der Baupolizei (heute etwa: Gewerbeaufsicht) ein Schnippchen zu schlagen. Rüdiger Schmidt, Chef der Bauberatung im Bauamt, breitet diesen Zwist, ein Mittelding zwischen Räuber-und-Gendarm-Spiel und Wirtschaftskrimi, vor dem Leser aus.
Martin Tabaczek, neben Bärbel Sunderbrink Schriftleiter der »Ravensberger Blätter«, präsentiert die Strategien, mit denen Dürkopp einst seine Produkte vermarktete. Die Werbeabteilung ging, wie im Heft anschaulich zu betrachten, schon vor über 100 Jahren geradezu modern anmutende Wege. Klaus Boecker schließlich, Leiter der Arbeitsgruppe für Zeitgeschichte im Historischen Verein, erhellt schlaglichtartig die Geschichte der Nähmaschinenwerke Kochs Adler bis 1952. Dies anhand der Protokolle der Aufsichtsratssitzungen, die Eberhard Delius, viele Jahre Vorsitzender des Historischen Vereins, einmal als »Juwel« gepriesen hat.
Die »Ravensberger Blätter« gibt es zum Preis von vier Euro im Stadtarchiv an der Rohrteichstraße, telefonisch unter 05 21 / 51-24 69 sowie im Buchhandel.

Artikel vom 23.12.2004