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Psychiatrische Pflege braucht wissenschaftliche Basis

Kongress mit 220 Pflegeexperten aus Österreich, der Schweiz und Deutschland in Bethel


Bethel (WB). »Die psychiatrische Pflege muss sich tiefgreifend neu orientieren, oder sie läuft Gefahr, dauerhaft im Status eines Hilfsberufes zu versinken«, warnte Dr. Michael Schulz jetzt beim Kongress »Aufbruch im Umbruch - Interventionen psychiatrischer Pflege« in den vonBodelschwinghschen Anstalten Bethel. »Und wir müssen das, was wir tun, auch wissenschaftlich begründen können«, sagte der Betheler Pflegeforscher. Mit 350 Anfragen war das Interesse an der Veranstaltung höher als das Platzangebot - 220 Pflegende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz konnten teilnehmen.
»Die psychiatrische Pflege hat es bisher versäumt, auf veränderte Rahmenbedingungen mit neuen Konzepten zu reagieren«, stellte Dr. Schulz vom Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Gilead fest. Er verwies auf die Rationierungen im Gesundheitswesen, auf verkürzte Liegezeiten im Krankenhaus und auf den Anstieg chronischer Erkrankungen in einer älter werdenden Gesellschaft.
Den psychiatrisch Pflegenden sei es nicht gelungen, ihr Arbeitsfeld fest außerhalb der psychiatrischen Kliniken zu etablieren. »Geht man davon aus, dass psychiatrisch Pflegende einen Beitrag zur Gesundheit der Bevölkerung leisten, den nur sie leisten können, dann ist nicht nachvollziehbar, warum sie nicht zunehmend auch in Heimen oder in der ambulanten Pflege tätig werden, wo ein hoher Bedarf an diesen Spezialisten besteht«, betonte Michael Schulz.
Die Wichtigkeit psychiatrisch Pflegender außerhalb des Klinikbereichs unterstrich auch Dr. Klaus Wingenfeld vom Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld. Eine Studie habe gezeigt, dass die große Mehrheit der Heimbewohner psychische Problemlagen und Verhaltensauffälligkeiten zeige. Der Zeitaufwand für Maßnahmen, die im direkten Kontakt mit Bewohnern durchgeführt wurden, betrug pro Bewohner und Tag 83 Minuten. Davon wurden durchschnittlich nur 14 Minuten für psychosoziale Unterstützung und psychiatrische Pflegeinterventionen aufgewendet.

Artikel vom 22.12.2004