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Mit der Callas auf Augenhöhe

Karine Babajanyan singt die Norma in Bellinis gleichnamiger Oper

Von Uta Jostwerner (Text)
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Nein, eine klassische Diva ist Karine Babajanyan nicht. Wenn ihr Name in Fachkreisen dennoch immer häufiger im Zusammenhang mit »der Callas« fällt, dann liegt das nicht nur an einer frappierenden physiognomischen Ähnlichkeit mit der legendären Sopranistin. Stimmlich steht die gebürtige Armenierin Babajanyan der Griechin Callas in nichts nach.

Darauf angesprochen winkt sie bescheiden ab. Indes sei Maria Callas noch heute ein Vorbild für jede Sängerin. »Und als Norma-Darstellerin war sie legendär«, zollt Karine Babajanyan ihrer verstorbenen Kollegin Respekt. Längst hat sie die Partie selbst mehrfach gesungen und damit unter anderem in Basel und Oslo das Publikum ge- und berührt. Jetzt steht sie wieder in Bielefeld auf der Bühne, um die Riesenpartie, mit der Vincenzo Bellini seiner Titelfigur ein tragisches Profil auf den Leib komponierte, erneut zu bewältigen. »Für mich ist es ein Genuss, die Norma zu singen«, erzählt sie wenige Tage vor der Premiere ganz entspannt.
Ein Genuss? Wo die Partie doch zwischen halsbrecherischen Koloraturen und dramatischer Tiefe die gesamte Farb- und Ausdruckspalette einer Sopranstimme in den feinsten Schattierung erfordert?!
Einfach sei das wirklich nicht, gesteht sie und verrät, sich bei ihrer Mailänder Meisterlehrerin Giovanna Canetti jüngst noch einmal intensiv auf die Rolle vorbereitet zu haben. »Die ist ja auch emotional so kontrastvoll. Ich muss alles geben«, sagt Karine Babajanyan.
So hat man die Sängerin in Bielefeld in Erinnerung. Zwei Jahre lang gehörte sie von der Spielzeit 2000/2001 an fest zum Ensemble des Theater Bielefeld, wo sie als Leonora, als Desdemona und als Agathe Erfolge feierte. Unvergessen blieb ihre »Butterfly-Darstellung in der Inszenierung von Werner Schroeter. Wer dabei war, dem wird sich das Bild der unerschütterlich wartenden Geisha unwiderruflich eingebrannt haben. Soviel kann man wohl sagen: Die Bühnenpräsenz und Ausstrahlung der Babajanyan ist schon jetzt legendärer als sämtliche Allüren der Callas zusammen.
Wie sie das macht? »Einfach so. Ich bin ehrlich, möchte nichts künstlich erzwingen«, rückt sie mit einem Teil ihres Erfolgsrezepts heraus. Der Rest ist Naturtalent, wie schon früh eine berühmte armenische Schauspielerin erkannte, die die Babajanyan bei einer Gesangsgala entdeckte und ins Schwärmen geriet: »Mädchen, du hast so ein Riesentalent!«
Stimmt wohl. Deshalb klopfte nach zwei Jahren Bielefeld auch die Staatsoper Stuttgart an, und wer kann da schon widerstehen . . .? Der Anfang war hart, gesteht sie. Das familiäre Klima am Theater Bielefeld wich kühler Sachlichkeit. »Das Ensemble dort ist so groß, dass ich bis heute nicht alle Mitarbeiter kenne.« Aber, so fügt sie an, das Niveau sei sehr professionell. »Man erwartet viel und ich kann weiter wachsen«, nennt sie die Vorteile. Mitgewirkt hat sie in Figaros Hochzeit und Don Giovanni. In La Boheme stand sie mit ihrer Tochter gemeinsam auf der Bühne. Die 13-Jährige singt im Kinderchor der Staatsoper und wird wie es aussieht wohl in Mamas und Papas Fußstapfen treten. Verheiratet ist Karine Babajanyan mit Mikael Babajanyan. Der Bariton ist derzeit im festen Engagement am Theater Dortmund, war aber vor wenigen Jahren auch schon am Theater Bielefeld in der »Cenerentola«-Produktion als Gast zu erleben.
Lange Trennungsphasen gehören zum Berufsbild. »Damit muss man leben«, sagt die Sängerin. Auch damit, an Feiertagen wie jetzt Weihnachten arbeiten zu müssen. Gefeiert wird trotzdem und zwar mit der gesamten Familie traditionell am 6. Januar, wenn die Heiligen Drei Könige die Geschenke bringen.
Und was bringt die Zukunft? »Ich bin zufrieden. Meine Karriere wächst organisch von selbst«, so die Sopranistin. Natürlich sind längst weitere Opernhäuser auf sie aufmerksam geworden und haben Angebote unterbreitet. Bern und Budapest sind Städte, in denen Karine Babajanyan im kommenden Jahr Station einlegen wird. Und natürlich will auch Regula Gerber, die sie »entdeckte« und nach Bielefeld holte, die Primadonna in Mannheim sehen: Zur Eröffnungspremiere ihrer Intendanz am Nationaltheater. Gegeben wird »Die Macht des Schicksals«. Die braucht Karine Babajanyan indes nicht zu fürchten, denn sie hat ihres in die eigenen Hände genommen . . .
»Norma« von Vincenzo Bellini hat am Samstag, 25. Dezember, 19.30 Uhr, in der Oetkerhalle in konzertanter Aufführung Premiere. Restkarten sind an der Abendkasse erhältlich.

Artikel vom 24.12.2004