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Substanzielle Bereicherung

Kunsthalle erhält fünf bedeutende Werke der Klassischen Moderne

Bielefeld (WB/uj). Die Kunsthalle Bielefeld ist um fünf bedeutende Werke der Klassischen Moderne reicher. Die Gemälde von Lyonel Feininger, Frantisek Kupka, Georg Muche, Georges Vantongerloo und Victor Servranchx wurden von der Staff-Stiftung als Leihgaben übernommen. Kunsthallenleiter Dr. Thomas Kellein spricht von »einer substanziellen Bereicherung der Sammlung mit ihrem Schwerpunkt auf der Avantgarde des 20. Jahrhunderts«.

Von dem amerikanischen Bauhauslehrer Lyonel Feininger stammt das 1936 entstandene Gemälde »Segelschiff«, das einen unter vollen Segeln fahrenden Viermaster zeigt. Himmel, Wasser und Schiff sind in kristalline Formen zerlegt, deren rhythmische Anordnung und braun- und grüntonige Farbigkeit dem Bild eine traumhaft-visionäre Atmosphäre verleihen. Das Werk ist das erste Gemälde von Lyonel Feininger in der Sammlung der Kunsthalle. Christiane Heuwinkel: »Es ergänzt die vorhandenen grafischen Arbeiten des Künstlers. Vor allem aber schließt das Bild eine Lücke in der Sammlung expressionistischer Werke aus dem Umfeld des Blauen Reiters, der mit Arbeiten von Jawlensky, Kandinsky, Klee und Macke bereits gut vertreten ist.«
Frantisek Kupka schuf um 1911/1912 seine ersten ungegenständlichen Arbeiten. Aus dieser Zeit stammt das »Komposition« betitelte Werk. Ausgehend vom Symbolismus, hat Kupka kubistische und futuristische Einflüsse in seinen Bildern in eine lyrische Grundstimmung umgeformt. Die Sichtbarmachung des Lichtes und das Nachspüren kosmischer und naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten rücken seine Arbeiten in die Nähe von Robert Delaunay.
Georg Muches erste abstrakte Arbeiten entstanden 1915. Deutlich spürbar ist der Einfluss von Kandinsky, Klee und Marc. Im Gemälde »Komposition« wird der Bildraum durch senkrechte, horizontale und diagonale Linien in ein rhythmisches Gefüge aus Dreieck, Rechteck und Raute gegliedert. Die harmonische Farbigkeit ergibt sich aus der überlegten Anwendung von Komplementär- und Simultankontrasten. Seine Tektonik lässt an Franz Marc denken, die magische Stimmung hingegen an Paul Klee.
Der belgische Bildhauer, Maler und Architekt Georges Vantongerloo zählt zu den Gründungsmitgliedern von »De Stijl«, der holländischen Entsprechung zum deutschen Bauhaus. In »Fonction -Ê carré, rond, éllipse« untersucht der Künstler geometrische Figuren im Bildfeld. Die bildnerischen Mittel sind in Bezug auf Form und Farbe stark reduziert, die mathematisch genaue Konstruktion beschränkt sich auf wenige horizontale und vertikale Linien. Weil sich die ungegenständliche Komposition nicht mehr von der sichtbaren Welt ableitet, sprachen die »Stijl«-Künstler nicht von abstrakter, sondern von konkreter Kunst.
Neben Georges Vantongerloo ist Victor Servranchx ein weiterer bedeutender Vertreter der abstrakt konstruktivistischen Malerei in Belgien. Wie Vantongerloo orientiert sich Servranchx in seinen strengen geometrischen Kompositionen an den Bildideen von »De Stijl«. Dennoch weisen seine Bilder häufig noch Merkmale der äußeren Erscheinungswelt auf. Geometrische Muster, Scheiben und Kreissegmente sollen als Zeichen und Signale der Welt der Technologie verstanden werden. Heuwinkel: »Mit den Arbeiten von Vantongerloo und Servranchx sind zwei bedeutende Beispiele für konstruktivistische Positionen der klassischen Avantgarde neu in die Kunsthalle gekommen.«

Artikel vom 23.12.2004