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Jedes dritte Kind ist im Wasser hilflos

Immer weniger Schwimmunterricht

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Ein Drittel der Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre sind im Wasser hilflos. Zu diesem Ergebnis kommt die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Bei den Erwachsenen fällt die Bilanz kaum besser aus. Fast ein Viertel der Deutschen können nur schlecht oder gar nicht schwimmen.

Zwischen dem 30. August und 4. September befragte das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid im Auftrag der DLRG 2004 Deutsche im Alter von 14 Jahren an nach ihrer Schwimmfertigkeit. Der Sprecher der DLRG in Bad Nenndorf, Martin Janssen, beklagte gestern einen deutlichen Rückgang von Schwimm- und Ausbildungsangeboten in den Städten und Gemeinden. Bei einer aktuellen Befragung der DLRG-Gliederungen hätten 69 Verbände berichtet, in ihrem Bereich seien bereits Bäder dicht gemacht worden oder konkret von Schließung bedroht.
Die Schwimmfertigkeit gehe seit zehn Jahren zurück, sagte Janssen und wies darauf hin, dass nur noch 46 Prozent der befragten Deutschen ein Abzeichen besitzen. Zugleich sei die Zahl der Ertrunkenen von 520 im Jahr 2000 auf 644 im vergangenen Jahr gestiegen. Laut DLRG-Barometer hapert es nicht nur bei der jüngeren Generation mit dem Schwimmen. Ab dem 50. Lebensjahr kann sich nur noch etwa jeder Zweite sicher im Wasser bewegen. Dabei fehlt es Frauen häufiger an grundlegenden Fähigkeiten als Männern.
Als »erschreckend« bewertet der Deutsche Sportlehrerverband in Krefeld die Zahl, dass nur 17,1 Prozent der Kinder in der Schule das Schwimmen lernen. Verbandsvizepräsident Helmut Zimmermann sagte gestern dieser Zeitung: »Die effektive Schwimmzeit einer Schulstunde beträgt nur 15 bis 20 Minuten.« Weil viele öffentliche Bäder in Schulnähe geschlossen worden seien, müssten Lehrer und Schüler immer längere Fahrtzeiten in Kauf nehmen.
Nach Angaben des Sportlehrerverbandes mit 10 000 Mitgliedern schmilzen Unterrichtsstunden nicht nur, sondern fallen komplett aus. »Auf dem Papier haben alle Schulformen drei Stunden in der Woche, aber in keiner Schulform werden regelmäßig drei Stunden Sport unterrichtet«, beschrieb Zimmermann das Dilemma.
Ausgerechnet in den Grundschulen, in denen der Grundstein für ausreichende Schwimmkenntnisse gelegt werden müsse, gebe es gravierende Schwächen. Über Jahre hinweg seien in Nordrhein-Westfalen kaum Lehrer für den Sportunterricht an Grundschulen ausgebildet worden.
Zimmermann beklagt »die Tendenz des Staates, sich von den Schulen zu lösen und Bestandteile zu privatisieren«. Bremen und Hamburg hätten bereits den Schwimmunterricht aus dem Schul-Lehrplan gestrichen und an staatlich geprüfte Schwimmeister übertragen. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 22.12.2004