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Meyer muss weiter bangen

Führende CDU-Politiker sehen Belastungsprobe - Staatsanwalt prüft

Berlin (Reuters). Die Gehaltsaffäre um Generalsekretär Laurenz Meyer ist für die CDU nach Einschätzung führender Politiker der Partei noch nicht überstanden. CDU-Präsidiumsmitglied Dagmar Schipanski sagte gestern: »Das ist eine schwere Belastungsprobe, die es auch erstmal noch bleiben wird«.

Wie zuvor der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Jürgen Rüttgers warnte mit Karl-Josef Laumann ein weiteres Präsidiumsmitglied vor negativen Auswirkungen auf den Landtagswahlkampf in dem bevölkerungsreichsten Bundesland. »Nach den Feiertagen muss Ruhe einkehren, sonst können wir keinen inhaltlichen Wahlkampf führen«, sagte Laumann in Berlin. Der für einen Ministerposten in Nordrhein-Westfalen vorgesehene CDU-Politiker gab sich jedoch verhalten optimistisch, ob dies gelingen kann.
Beim Energiekonzern RWE haben erste Recherchen nach Angaben des Unternehmens bislang ergeben, dass keine weiteren Bundes-, Landes- oder Europapolitiker auf der Gehaltsliste stehen. Ein RWE-Sprecher sagte: »Nach bisherigen Erkenntnisstand können wir sagen, dass neben Hermann-Josef Arentz und Laurenz Meyer keine Bundes-, Landes- oder Europapolitiker in einem aktiven oder ruhenden Arbeitsverhältnis zu RWE stehen.« Die Untersuchungen dazu seien aber noch nicht beendet.
Meyer hatte in der vergangenen Woche Doppel-Zahlungen vom Energiekonzern RWE und der CDU eingeräumt. Am Montag schließlich hatte er zugegeben, eine Abfindung von 250 000 Mark erhalten und behalten zu haben, obwohl er später wieder zu dem Unternehmen zurückkehrte.
Schipanski sagte, damit Ruhe einkehre, dürften nun keine neuen Vorwürfe gegen Meyer aufkommen. Zudem müsse er sofort das zugesagte Geld an die Kinderdörfer überweisen und im Präsidium der Partei seine Beweggründe erläutern. Schipanski teilt nach eigenen Worten die Einschätzung Rüttgers', dass die Affäre eine erhebliche Belastung für den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen darstellt.
Laumann sagte, aus seiner Sicht sei mit den Gesprächen zwischen CDU-Chefin Angela Merkel und Meyer die Angelegenheit geklärt. »Wenn Ruhe reinkommt, ist die Sache in Ordnung, so wie sie eingestielt ist.«
Voraussetzung seiaber, dass keine neue Anschuldigungen gegen Meyer auftauchten. Laumann fügte einschränkend hinzu: »Ich bin kein Prophet und kann nicht in die Zukunft gucken.«
Hingegen sieht der schleswig-holsteinische CDU-Politiker Dietrich Austermann keine Auswirkungen der Vorgänge auf die Wahl in seinem Bundesland im Februar. Austermann gehört dem Schattenkabinett der CDU in Schleswig-Holstein an. CDU-Präsidiumsmitglied Hildegard Müller forderte nach der Entscheidung Merkels, jeder müsse nun seinen Teil dazu beitragen, dass wieder Ruhe einkehre.
Nach Angaben des RWE-Sprechers sind derzeit 200 Mitarbeiter des Unternehmens überwiegend ehrenamtlich auf kommunaler Ebene politisch tätig. Er verwies darauf, dass es auch gesetzliche Bestimmungen gebe, Mitarbeitern politisches Engagement zu ermöglichen. Einem Bericht der »Financial Times Deutschland« zufolge beziehen 40 Landes- und Bundespolitiker Gehalt von RWE.
Der Führung des Unternehmens liege eine entsprechende Liste der Innenrevision vor. Der Firmen-Sprecher wollte dazu keine Stellung nehmen.
Die Gehaltsaffäre um Laurenz Meyer beschäftigt nun auch die Justiz. Die Staatsanwaltschaft Essen prüft nach eigenen Angaben die Anzeige einer Privatperson gegen Meyer und den RWE-Konzern wegen Bestechung und Untreue. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Essen sagte, die Anzeige sei »als Vorgang erfasst« worden und werde nun geprüft. Die Anklagebehörde habe aber noch kein Ermittlungsverfahren gegen Meyer oder RWE eingeleitet.

Artikel vom 22.12.2004