21.12.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Daschner bleibt ungestraft

Äußerst mildes Urteil trotz massiver Gesetzesverstöße bei Verhör

Frankfurt/Main (dpa). Die Folterdrohung des Frankfurter Vize-Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner im Entführungsfall Metzler bleibt ungestraft.Schuldig, aber straffrei: Wolfgang Daschner.
Das Frankfurter Landgericht sprach den 61-Jährigen gestern zwar schuldig, drohte eine Geldstrafe in Höhe von 10 800 Euro aber nur an. Dafür gilt eine Bewährungszeit von einem Jahr. Auch gegen den von Daschner beauftragten Beamten verhängte das Gericht eine derartige »Verwarnung mit Strafvorbehalt« in Höhe von 3600 Euro.
Mit dem Urteil blieb das Gericht unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international nannte den Spruch enttäuschend. Die Gewerkschaft der Polizei begrüßte die Entscheidung.
Der 51 Jahre alte Vernehmungsbeamte hatte den mittlerweile verurteilten Mörder Magnus Gäfgen am 1. Oktober 2002 auf Anweisung von Daschner mit ungekannten Schmerzen gedroht, falls er nicht das Versteck der Geisel Jakob von Metzler preisgebe. Gäfgen hatte daraufhin die Polizei zum Versteck des bereits toten Elfjährigen geführt. Das Vorgehen der Polizei sei durch kein Gesetz gedeckt und nicht zu rechtfertigen gewesen, sagte die Vorsitzende Richterin Bärbel Stock. Daschner habe gegen die Menschenrechtskonvention, das Grundgesetz und Hessens Polizeigesetz verstoßen, das auch zur Abwehr von Gefahren ausdrücklich die Bedrohung von Gefangenen untersage. Anklagebehörde und Beschuldigte nahmen das Urteil sofort an, so dass es nicht vom Bundesgerichtshof überprüft wird. Damit gelten die beiden Polizisten nicht als vorbestraft. Die 27. Strafkammer sah bei dem Vernehmungsbeamten den Tatbestand der Nötigung als erfüllt an, zu der er von Daschner verleitet worden sei. Mit ihren »verwerflichen« Gewaltdrohungen haben beide nach Auffassung des Gerichts die Menschenwürde von Gäfgen verletzt.
Stock betonte die Verankerung des absoluten Folterverbots in der unantastbaren Menschenwürde, die wegen der historischen Erfahrungen bewusst an den Anfang des deutschen Grundgesetzes gestellt worden sei. »Menschen sollen nie mehr wie bei den Nazis nur Träger von Wissen sein, das der Staat aus ihnen herauspressen kann.« Es gehe um die Funktionstüchtigkeit des Rechtsstaats und »nicht bloß um den Gäfgen«.
Lesen Sie dazu auf der Seite »Themen der Zeit«: Umfrage, Hintergrund und Leitartikel

Artikel vom 21.12.2004