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Leitartikel
Meyers Rücktritt

Notbremse
zu spät
gezogen


Von Dirk Schröder
»Wäre er bei mir angestellt, hätte er ein Problem.« Was Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer so gelassen aussprach, wurde schon einen Tag später zur Gewissheit. Keine schöne Bescherung für die CDU und ihre Vorsitzende so kurz vor den Festtagen. Nur zwei Tage nachdem Angela Merkel ihrem Generalsekretär noch den Rücken gestärkt hat, verkündet Laurenz Meyer seinen Rücktritt.
Trotz der Erklärung Merkels, Meyer habe alle Fakten auf den Tisch gelegt und seinen Fehler durch Spenden wiedergutgemacht, kommt der Schritt ihres »Generals« nicht wirklich überraschend. Aber zu spät, viel zu spät. Haben die Beiden tatsächlich geglaubt, mit einer Spende könnte Meyer sich seine Glaubwürdigkeit zurückkaufen? Es zeugt nicht von großer politischer Weitsicht, wenn Meyer und Merkel meinten, nach der Erklärung vom Montag wieder zum Alltag übergehen zu können.
Meyer scheint nichts dazugelernt zu haben. Dabei hatte er den Fall des Anfang Dezember zurückgetretenen CDA-Vorsitzenden Hermann-Josef Arentz noch klar vor Augen. Trotzdem rückte Meyer unverständlicherweise mit den Tatsachen nur scheibchenweise heraus. Am Freitag räumte Meyer zeitgleiche Gehaltszahlungen vom Energiekonzern RWE und der CDU ein, nachdem zuvor in Medien darüber berichtet worden war. Am Montag gab er zu, im Rahmen eines Auflösungsvertrages 250 000 Mark bekommen und behalten zu haben, obwohl er später zu dem Unternehmen zurückkehrte. Auch darüber war natürlich zuvor in den Medien berichtet worden.
Juristisch wird wohl alles seine Richtigkeit haben, politisch war das Vorgehen Meyers jedoch instinktlos. Man kann nicht Wasser predigen und dann Wein trinken. Das wird auch Meyer gewusst haben. Und vielleicht hat er deshalb die Karten nicht freiwillig offen auf den Tisch gelegt. Er, der als Speerspitze der Partei galt, hätte die von Merkel noch beim Bundesparteitag in Düsseldorf erneut angestoßene Werte-debatte nicht führen können. Kein Wahlbürger hätte ihm dies abgenommen.
Spät hat Meyer gemerkt, dass er derzeit der Partei mehr schadet als hilft. Doch hätte es ihm zuletzt gut zu Gesicht gestanden, klar zuzugeben, dass er einen Fehler gemacht hat.
Wieder einmal ist zwar im letzten Moment eine Notbremse noch gezogen worden. Doch der Schaden wird für die CDU größer sein als ihr lieb ist. Noch mehr zittern muss jetzt die CDU in NRW. Vor vier Jahren hatte ihr die Spendenaffäre den Wahlsieg verhagelt, jetzt droht der Fall Laurenz Meyer sie in der Wählergunst ein weiter nach unten zu ziehen.
Zurück bleibt aber auch eine angeschlagene Parteivorsitzende. Zu Beginn dieses Jahres konnte sie mit überragenden Umfrageergebnissen glänzen. Unter dem Weihnachtsbaum ist von diesem Glanz nicht mehr viel übrig. Seit gestern ist es nicht mehr ausgemachte Sache, dass sie die Kanzlerkandidatin der Union wird.

Artikel vom 23.12.2004