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Gedichte können auch unterhaltend sein

Autorenlesung mit dem Bielefelder Lyriker Helmuth Opitz im Max-Planck-Gymnasium


Bielefeld (sas). 30, 40mal hat Helmuth Opitz schon in Schulen aus seinen Gedichtbänden vorgelesen. »Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass Schüler oft überrascht sind, dass Gedichte auch einen Unterhaltungswert haben können. Zumeist empfinden Jugendliche sie nämlich als mühsam«, sagt der 45-jährige. Gestern hat der Lyriker, der im Brotberuf als Werbetexter seinen Lebensunterhalt verdient, im Max-Planck-Gymnasium vor Schülern der Jahrgangsstufe 13 gelesen.
Eingeladen hatte den Bielefelder Dichter, der bereits vier Gedichtbände veröffentlicht hat, Günther Gsänger. Er sowie seine Kollegin Roswitha Schewe hatten mit Schülern zweier Deutsch-Leistungskurse Lyrik gelesen - »Für die meisten Schüler eher fremd«, gesteht Gsänger zu - und den Gedichten aus expressionistischer Zeit ein Werk von Opitz gegenüber gestellt: »Cities«.
»Es passte zur Stadtthematik«, meint Tim Detering. Allerdings ist dem Schüler die Wahrnehmung von Opitz, wie sie in »Cities« ausgedrückt wird, zu negativ. Dass vor 70, 80 Jahren die Industrialisierung, die Schlote und das Dunkel ein Thema waren, kann er nachvollziehen. Die Städte heute empfindet er als anregender. Immerhin aber konnten die Schüler mit den Stadtgedichten etwas anfangen: Weder Sprache noch Thema seien sperrig, sondern eben Teil ihrer Lebenswirklichkeit, findet Garibe Cakar.
Dass Opitz die Stadt nicht nur so giftig, gleichgültig, zugebaut und dröhnend wie »Cities« nahe legt, erlebt, verdeutlichte der 45-Jährige bei der Lesung, der ein Film mit Stadtimpressionen der Gymnasiastinnen Julia Thieke und Kim Prior voraus ging. »Tempo, Speed, Rhythmus sind für mich der Soundtrack einer Großstadt«, erzählte er und belegte das mit dem Gedicht »Schlagzeug«. Dass die Städte leuchten, weil sie auf Vierspurbändern von Autos durcheilt werden, dass zuweilen aber die Ampeln als heimliche Schrittmacher den Verkehr bremsen, dass nachts sich nur noch einzelne Chromtierchen heimleuchten - auch dass schildert er lyrisch. Einzelne Bilder, erklärte er seiner Zuhörerschaft, bringen ihn zum nächtlichen Dichten; sie sind es, die ihn »anreißen« wie ein Streichholz - und nicht der Vorsatz, ein bestimmtes Thema zu umschreiben.
Zu diesen Bildern gehört auch das Anrühren von »Maxwell«, seinem Lieblingskaffee und Stimulanz, mit dessen Hilfe Helmuth Opitz zu später Stunde durchhält. Mit Hilfe des gleichnamigen Gedichtes bewies er den Schülern, dass Gedichte tatsächlich nicht nur ernste Interpretationen und Vertiefung verlangen, sondern manchmal schlicht Spaß machen.

Artikel vom 23.12.2004