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Wieder Lachse in der Werre

Aussetzaktion 2003 war erfolgreich - Wasserwerke bedrohen Fische

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Nach dem Rhein und der Sieg sind Lachse auch in der Werre heimisch geworden. »Mehrere hundert Exemplare befinden sich in gutem Zustand«, sagte Eckhard Nolting von der »Arbeitsgruppe Werre im Wanderfischprogramm NRW«. Die Werre fließt durch die Kreise Lippe, Herford und Minden-Lübbecke.
Thomas Rieck: »Wer was bezahlt, ist unklar.«

Im März 2003 wurden dort 25 000 Junglachse ausgesetzt. Ein Teil von ihnen, wie die untersuchten Fische, ist noch nicht alt genug, um in den Nordatlantik zu wandern. »Ihre älteren Artgenossen befinden sich zur Zeit vor Grönland und fressen sich voll«, erklärte Nolting. Diese Lachse würden im Herbst 2005 in Ostwestfalen-Lippe zurückerwartet.
Wie viele es schaffen, ist schwer einzuschätzen. Auf dem Weg zurück zu den Laichplätzen müssen sie allein auf der Weser sieben Wehre überwinden und den tödlichen Turbinen der Wasserkraftwerke entgehen. »Von 100 kommt einer zurück«, glaubt Ludwig Bartmann, Fischereidezernent der Bezirksregierung Detmold. Die Hindernisse entlang der Weser bildeten das Hauptproblem: »Es hapert nicht an der Wasserqualität, sondern an der Durchgängigkeit.«
Die Turbinen der Wasserkraftwerke bei Petershagen verletzen die Lachse. Bartmann erklärt: »Der Lachs orientiert sich an der Leitströmung, schwimmt also auf die Turbine zu. Um das zu verhindern, muss ein Fischweg neben der Ausmündung der Turbine angelegt werden.«
Die Umgehung der Turbinen kostet zwischen 600 000 und 700 000 Euro. »Wer bezahlt, ist noch nicht ausgehandelt«, berichtet Thomas Rieck, Dezernent für Oberflächengewässer im Staatlichen Amt für Umwelt und Arbeitsschutz OWL. Einigen müssten sich die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung in Hannover, das Land Nordrhein-Westfalen und der Energieversorger E.ON. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung habe bereits erklärt, für ökologische Fragen nicht zuständig zu sein, sagte Rieck.
Bis zum Sankt-Nimmerleinstag könnten die Parteien nicht verhandeln, denn die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union verpflichte die Mitgliedsländer, ihre Flüsse bis 2015 ökologisch zu sanieren und für Fische durchgängig zu machen. Aale und Lachse sind Langdistanzwanderfische, die an den Ort zurückkehren, an dem sie geboren wurden. Staue und Turbinen schneiden sie von Laichorten ab. »Um Lachse wieder nachhaltig anzusiedeln, ist die Durchgängigkeit der Flüsse zwingende Voraussetzung«, betont Rieck.
Auf Werre und dem Zufluss Bega warten 20 Hindernisse auf die Lachse, zumeist ehemalige Mühlenstaue. Durch die Wasserrahmenrichtlinie habe der Lachs »juristischen Beistand« bekommen, freut sich Eckhard Nolting. Werde sie konsequent umgesetzt, habe der Fisch wieder eine gute Perspektive in Ostwestfalen-Lippe. Die letzten Lachse wurden dort nach dem Krieg gefangen. Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Bärbel Höhn will mit dem Wanderfischprogramm die alten Zeiten zurückholen: »Unser Ziel ist der Aufbau einer selbsttragenden Lachspopulation in geeigneten Fließgewässern.« Die Erfahrungen in der Sieg stimmen sie optimistisch. Die Auswertung der Kontrollstationen an Sieg, Dhünn und Agger ergab, dass bis Ende 2003 knapp 1100 Lachse nach NRW zurückkehrten - 60 Prozent aller in den Laichgebieten nachgewiesenen erwachsenen Lachse.

Artikel vom 21.12.2004