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Abwesender Schumi:
Kritik und Verständnis

Die Familie des Sports feierte ohne den Weltmeister

Baden-Baden (dpa). Ovationen für Birgit Fischer, Diskussionen um Michael Schumacher: Während die achtmalige Kanu-Olympiasiegerin bei der Gala »Sportler des Jahres« in Baden-Baden Minuten lang gefeiert wurde und auch die »Golden Girls« des Hockey-Teams sich ungeteilter Sympathien erfreuten, stieß das erneute Fehlen des Formel-1-Überfliegers teilweise auf herbe Kritik.
»Er ist irgendwie fern von uns, die wir hier sitzen«, beschrieb die Hockey-Spielführerin Marion Rodewald die etwas getrübte Stimmungslage im Kurhaus. Auch Birgit Fischer fand es »nicht gut, dass er sich von jeder Preisverleihung fern hält« und sprach von einer »kleinen Missachtung«.
Schumacher verbringt seinen Familienurlaub in Norwegen und war nur in einem am 4. Dezember in Paris aufgezeichneten Interview zu sehen. Da grüßte der mäßig begeisterte Kerpener im Rennanzug, während sich die »Familie des Sports« traditionell in Schale geworfen hat. »Wir wären fast ein bisschen erschrocken, wenn er hier wäre«, meinte Moderator Wolf-Dieter Poschmann ironisch, sagte aber später: »Vielleicht muss man auch Respekt davor haben, dass sich einer nicht hundertprozentig vereinnahmen lässt.«
»Ich habe für mich einen Weg gefunden, wo ich mich mehr auf meine eigenen Sachen konzentrieren kann«, erklärte Schumacher seine Methode, sich in einem fulminanten Leben ab und zu einen Boxenstopp zu leisten. Daniel Stephan, der mit seinen Handball-Kollegen bei der »Mannschaft des Jahres« auf Rang zwei kam, konnte das Verhalten des Kerpeners nachvollziehen. »Wenn er andere Prioritäten setzt, dann soll er es so machen«, sagte der Lemgoer Silbermedaillengewinner von Athen. Da passte es ins Bild, dass IOC-Mitglied Thomas Bach während der Aufzeichnung Zuschauer und Sportler aufforderte: »Wir sollten uns endlich zu unseren Leistungsträgern besser bekennen.«
Auch Anni Friesinger (2.) und Andreas Klöden (3.) hatten abgesagt: Die Eisschnelllauf-Weltmeisterin wollte sich aufs Training konzentrieren, der Radprofi schwitzt in Südafrika. Dass der deutsche Fußball-Meister und Pokalsieger Werder Bremen als Team-Dritter lediglich seinen französischen Abwehrspieler Valerien Ismael aus dem Urlaub in Straßburg geschickt hatte, störte die über 500 Gäste weniger als die miserable Tonqualität im Saal: Dieses Malheur erwies sich als echter Stimmungstöter.
Gelassen hatten zahlreiche Besucher hingegen hingenommen, dass kurz vor dem Sektempfang der Strom im Hause ausgefallen war und sie sich aus der dunklen Tiefgarage ins Kurhaus tasteten. Im nächsten Jahr muss sich die Prominenz möglicherweise ohnehin umorientieren: In der drangvollen Enge kam wieder die Debatte um eine Standortverlegung auf: Karlsruhe und Berlin sind für die 59. Proklamation im Gespräch.

Artikel vom 21.12.2004