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Deutschland hinkt hinterher

Wirtschaftsforschungsinstitute dämpfen Konjunkturerwartungen für 2005

Berlin (Reuters). Auch das kommende Jahr hält nach Einschätzung von Wirtschaftsforschern keinen echten Wirtschaftsaufschwung in Deutschland bereit.

Mit dem Ifo-Institut und dem HWWA senkten gestern zwei weitere Schwergewichte der Konjunkturforschung ihre Prognosen. Das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA) erwartet 2005 nur noch ein Wachstum von 0,9 Prozent, das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) von 1,2 Prozent. Zuvor hatten bereits drei Institute ihre Erwartungen zurückgeschraubt. Damit ist das gemeinsame Herbstgutachten der sechs führenden Institute nur zwei Monate nach seiner Veröffentlichung Makulatur. Darin waren noch 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum vorhergesagt worden.
Weitgehend einig sind sich die Institute in der Annahme, dass sich 2005 der starke Exportzuwachs von neun bis zehn Prozent aus diesem Jahr nicht wiederholen wird. Dabei geht das Ifo von einer halb so starken Dynamik aus, das HWWA setzt sogar nur ein Exportplus von knapp vier Prozent im nächsten Jahr an. Das Problem dabei ist, dass sich das Wachstum 2004 nahezu ausschließlich auf den Außenhandel gestützt hat und die Binnennachfrage - Konsum und Investitionen - anders als in früheren Konjunkturzyklen durch den Export kaum angeregt wurde. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn diagnostizierte deshalb: »Die Weltwirtschaft boomt in diesem Jahr wie seit 28 Jahren nicht mehr - trotzdem macht Deutschland nicht mit.« Zwar rechnen die Forscher mit einem Anziehen von Investitionen und Konsum, aber nicht in einer Größenordnung, die die geringere Exportdynamik aufwiegen würde. »Zwar wird sich die konjunkturelle Erholung fortsetzen, sie wird aber auch 2005 keinen großen Schwung entfalten«, erwartet auch HWWA-Präsident Thomas Straubhaar. In den vergangenen Wochen hatten bereits das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ihre Prognosen für 2005 auf 0,8 bis 1,3 Prozent gesenkt. Allein das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hält an seiner Einschätzung fest, dass die Wirtschaft um 2,1 Prozent wachsen wird. Bereits im Herbstgutachten im Oktober war es damit in der Minderheit.
Auch der Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) erwartet 2005 nur noch 1,2 Prozent Wachstum nach 1,7 Prozent in 2005. Die Erholung breche aber nicht ein. Die unterschiedlichen Raten seien darauf zurückzuführen, dass 2005 weniger Tage gearbeitet würden.
Sinn sieht in den zu hohen Lohnkosten und der daraus folgernden Verlagerung von Produktionsstätten und Arbeitsplätzen ins Ausland die Hauptursache der Schwäche der Wirtschaft. Das HWWA hält dagegen, es gebe keinen Strukturbruch im Investitionsverhalten der Firmen. Die lange Stagnation und der Rückgang der Kapazitätsauslastung hätten die Reaktion zwischen Export und Binnenwirtschaft verlängert.

Artikel vom 22.12.2004