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Neuer Streit ums Dosenpfand

Handelsketten wie Edeka wollen ausländische Plastikflaschen verkaufen

Berlin/Brüssel (dpa). Der Streit um das Dosenpfand ist kurz nach Verabschiedung der geänderten Verordnung für Einwegverpackungen im Bundesrat wieder voll entbrannt. Handelsketten wie Edeka wollen bis zum Start eines einheitlichen Rücknahmesystems im Mai 2006 wieder ausländische Getränkedosen und Plastikflaschen ins Sortiment nehmen.
Ärger mit dem Dosenpfand: Der Handel versucht, mit ausländischen Plastikflaschen die Pfandregelung zu umgehen. Das Umweltministerium betont: Pfandpflicht besteht auch für importierte Getränke. Fotos: dpa Alfons Frenk, Vorstandsvorsitzender der Edeka.

Der Hamburger Handelsriese bestätigte solche Pläne. Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) reagierte gelassen. Damit riskierten die Unternehmen Bußgelder, die bis 50000 Euro reichen. »Es gibt keine Ausnahmen von der Pfandpflicht«, betonte Trittin in Brüssel.
Auch die für die Kontrollen zuständigen Länder wollten dies nicht mitmachen, sagte eine Sprecherin des Trittin-Ressorts in Berlin. »Das ist eine Fortsetzung der Chaos-Strategie des Handels auf Kosten der Verbraucher.«
Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) äußerte dagegen Verständnis für Ketten wie Edeka und Spar sowie die Metro-Firmen Extra und Real. Für sie mache es Sinn, die - mit der Pfandpflicht 2003 abgeschafften - ausländischen Einwegdosen und Plastikflaschen wieder in die Regale zu stellen, sagte HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr. Sie wüssten zwar, dass die Regelung nur befristet sei. »Bis dahin könnte man aber viele Getränke verkaufen«, so Pellengahr. Sollten inländische Handelsunternehmen ebenfalls die Pfandfreiheit einführen wollen, »wären die Risiken hier größer als die Chancen«.
Bei dem zum Tengelmann-Konzern gehörenden Discounter Plus sei noch keine Entscheidung in der Sache gefallen, sagte eine Sprecherin. Die Tengelmann und Kaiser's Kaffee-Läden wollen weiterhin am Mehrweg-System festhalten. Bei Aldi wollte sich niemand zu dem Thema äußern.
Erneut forderte der HDE, das derzeitige Zwangspfand für Einwegverpackungen bis zur Regelung 2006 völlig auszusetzen. Zum ersten Mal räumte der Verbandssprecher aber ein: »Das Dosenpfand können wir nicht mehr verhindern. Die Würfel sind gefallen« - als Folge der Mehrheitsverhältnisse in Bund und Ländern und auf Grund des jüngsten Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Das Luxemburger Gericht hatte die heutige Pfandregelung in Teilen als rechtswidrig bezeichnet, vor allem weil kein flächendeckendes Rücknahmesystem in Deutschland bestehe. Dies soll jedoch mit der am Freitag im Bundesrat verabschiedeten Novelle unter anderem dadurch geändert werden, dass die Insellösungen verschwinden, mit denen Discounter wie Aldi und Lidl Fremdflaschen und -Dosen und sonstige Verpackungen anderer Anbieter abwehren können.
Sie sollen diesen Vorteil ebenso wie auch ausländische Wasserlieferanten mit der jetzigen Reform - je nach Notifizierung der Verordnung durch die EU - im Februar oder Mai 2006 einbüßen. Mit der vom Bundesrat beschlossenen Novelle wird ein einheitliches Pfand von 25 Cent eingeführt, das dann nicht nur für Mineralwasser, Bier und kohlensäurehaltige, sondern auch für kohlensäurefreie Getränke wie Eistee und Alcopops gilt. Milch, Säfte und Wein sollen endgültig pfandfrei bleiben.
Die Handelsketten - laut HDE auch von zahlreichen Anwaltskanzleien gestützt - leiten ihre Forderung nach Pfandfreiheit aus der EuGH-Bemerkung ab, in Deutschland fehle ein bundesweites System der Verpackungs-Rücknahme. Auch habe das Gericht festgestellt, dass den betroffenen Herstellern und Vertreibern ausländischer Mineralwässer keine angemessene Übergangsfrist zur Umstellung auf die Pfandpflicht eingeräumt worden sei. Solche Schlussfolgerungen seien unzulässig, sagte die Sprecherin des Trittin-Ministeriums. »Die Verbraucher werden mit solchen Ankündigungen völlig verunsichert.«

Artikel vom 21.12.2004