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Aus armen Verhältnissen
auf die Bühnen der Welt

»Engelsstimme« Renata Tebaldi stirbt mit 82 Jahren

Rom (dpa). Die »Engelsstimme« Renata Tebaldi ist tot. Die italienische Sopranistin starb in der Nacht zum Sonntag im Alter von 82 Jahren in ihrem Haus in San Marino. Die ehemalige Primadonna war seit längerem krank gewesen.
Renata Tebaldi starb am Wochenende nach längerer Krankheit.

Tebaldi galt als eine der größten Sopranistinnen der Nachkriegszeit und war zwischen den 50er und den 70er Jahren auf allen großen Opernbühnen der Welt zu Hause. Immer wieder wurde sie von Kritikern mit Maria Callas verglichen, ihrer großen Rivalin. Stardirigent Riccardo Muti sprach gestern von einer »grenzenlosen Trauer der Musikwelt« und würdigte Renata Tebaldi als »eine der außergewöhnlichsten Stimmen am Opern-Firmament«.
1922 in Pesaro geboren, hätte Renata eigentlich Drogistin werden sollen. Sie wuchs in kleinen Verhältnissen auf, mit drei Jahren erkrankte sie an Kinderlähmung. Erst mit sechs Jahren lernte sie wieder gehen. Vielleicht war es dann letztlich ihr Vater, ein mittelloser Orchestermusiker, der ihr den Weg zur Gesangsschule von Parma ebnete. 1946 wurde sie von Meisterdirigent Arturo Toscanini entdeckt, der sie an die Mailänder Scala holte. Toscanini war es auch, der der zurückhaltenden Sängerin mit der sanft-weichen Tonlage den Namen »Engelsstimme« verlieh. Sie hatte 1950 in London und San Francisco debütiert, bevor sie 1955 an der Metropolitan Opera in New York in der Rolle der Desdemona (»Othello«) den Durchbruch zum Weltstar schaffte. Von 1960 an wurde die »Met« ihre künstlerische Heimat. Dort sang sie unter anderem mit ihrem Lieblingspartner Mario Del Monaco und anderen weltberühmten Tenören, darunter dem jungen Placido Domingo.
Auf der Bühne wirkte sie stets bedächtig und ruhig, fast statuenhaft, wie ein Kritiker einmal anmerkte - ganz im Gegensatz zu ihrer temperamentvollen Rivalin Maria Callas. Der »Streit der Primadonnen« füllte in den 50er und 60er Jahren die Klatschseiten der Zeitungen. Im Jahr 1973 trat Renata Tebaldi von der Opernbühne ab und lebte danach zurückgezogen in Mailand und San Marino. »Ich habe nicht mehr gesungen, weil ich eine gute Erinnerung von mir hinterlassen wollte«, erklärte sie später.
Der Vergleich der »Engelsstimme« mit Maria Callas verfolgte Tebaldi zeitlebens, manchmal wurde sie gar - ungerechterweise - als »Anti-Callas« bezeichnet. Die überwältigende Bühnenpräsenz und das Temperament ihrer Kollegin erreichte Tebaldi zwar nie. »Aber ich habe etwas, was die Callas bestimmt nicht hat - nämlich Herz«, sagte die ansonsten eher zurückhaltende Sängerin einmal fast trotzig. Und dieses Herz gehörte vor allem zwei Komponisten: Verdi und Puccini. Verdi, »weil seine Musik wie eine Medizin ist, die Dich begleitet«; Puccini, »weil er so modern ist«.
Das Weiche und Süße, »das betörende Piano« - sie waren eben ihr Metier.

Artikel vom 20.12.2004