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Das »Jesus-Papyrus« ließ aufhorchen

Paderborner Bibelexperte Carsten-Peter Thiede mit 52 Jahren verstorben

Paderborn (WB/rb). Carsten-Peter Thiede, in den 90er Jahren Paderborns berühmtester Wissenschaftler, ist tot.
Carsten-Peter Thiede wurde nur 52 Jahre alt.

Im Alter von 52 Jahren verstarb der Papyrologe, Literaturwissenschaftler und Historiker am 14. Dezember nach einem Herzinfarkt. Von 1993 bis 1998 leitete er das Institut für wissenschaftstheoretische Grundlagenforschung des Deutschen Instituts für Bildung und Wissen in Paderborn. Zugleich war er anglikanischer Militärkaplan der britischen Streitkräfte. 1997 wandte er sich nach Basel, um dort »Umwelt und Zeitgeschichte des Neuen Testaments« an der Theologischen Hochschule zu unterrichten.
Zudem hatte er einen Lehrauftrag an der Uni Beersheba in Israels Negev-Wüste. Nahe Jerusalem entdeckte er das biblische Emmaus.
Thiedes Ruf in der Fachwelt beruht auf zahlreichen Veröffentlichungen über das frühe Christentum, die den Wert der Bibel auch als historisches Dokument unterstreichen. Aufsehen vor einer großen Öffentlichkeit erregten zwei Projekte: Mit »Der Jesus-Papyrus« datiert Thiede das Matthäus-Evangelium auf 70 nach Christi und damit 130 Jahre früher als bislang bekannt; mit Untersuchungen der in Rom aufbewahrten Holztafel vom Kreuz Jesu - Aufschrift INRI - konnte Thiede dessen Echtheit erklären. Gemeinsam mit dem Paderborner Chemie-Professor Georg Masuch hatte er ein Auflichtverfahren entwickelt, um älteste Schriften, die schon verblichen waren, wieder sichtbar zu machen. Das erlaubte ein völlig neues Textverständnis und schloss wichtige Lücken.
In seinem letzten Buch »Jesus und Tiberius. Zwei Söhne Gottes« plädiert er für eine Beschäftigung mit der Bibel in den Ursprachen. Der Ausspruch der Jesu Tod fordernden Juden »Sein Blut komme über uns und unsere Kinder«, der in der Kirchengeschichte wiederholt zur Rechtfertigung von Pogromen benutzt wurde, sei falsch übersetzt. Im Original fehlt das »komme«, so dass es sich um eine gängige Redewendung handele mit der Bedeutung: Wir übernehmen die Verantwortung für das, was geschehen ist.
Thiede stand auch der Reinhold-Schneider-Stiftung vor. Bis 1988 war er Studienleiter der Christlichen Medienakademie (Wetzlar), danach Lektor beim R. Brockhaus Verlag (Wuppertal) und Mitarbeiter des Evangeliums-Rundfunks (Wetzlar). Danach konzentrierte er sich auf Lehr- und Vortragstätigkeiten.

Artikel vom 18.12.2004