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Zwei Frauen freuen sich auf die Wüste

Prolog Silvester in Barcelona

Von Wolfgang Schäffer
Barcelona (WB). Für Jutta Kleinschmidt (42) ist es »das Highlight des Jahres überhaupt«. Konkurrentin Andrea Mayer (36) ist »voller Vorfreude« und sieht die »große Chance, sich weiter in der Weltspitze zu etablieren«. Die Rede ist von der Rallye Dakar, der vermutlich schwersten und spektakulärsten Prüfung für Mensch und Maschine über eine Distanz von 9000 Kilometern.
Volle Konzentration vor dem Rennen. VW-Pilotin Kleinschmidt überlässt nichts dem Zufall.
Auf dem Rad holt sich Jutta Kleinschmidt die Fitness für die harten Auto-Prüfungen.

Die Wüste, das ist die große Leidenschaft von Andrea Mayer, der Werkspilotin von Mitsubishi. Es klingt fast wie eine Liebeserklärung, wenn die in Kaufbeuren geborene und in der Schweiz lebende gelernte Schriftsetzerin und Redakteurin sagt: »Es gibt keine schönere Landschaft als die Wüste mit ihrer Weite und den vielfältigen Formen.« 1989 war es, als die begeisterte Motorradfahrerin mit ihrem damaligen Freund zu einer sechsmonatigen Reise durch Afrika aufbrach. »Es ging durch Tunesien, Algerien, Niger, Benin, Togo, Ghana, die Elfenbeinküste und Mali. Zwei Mal haben wir dabei die Sahara durchquert. Ein unvergessliches Erlebnis.« Die Begeisterung ist der 36-Jährigen noch immer anzumerken. Doch die Fahrten durch oft schweres Gelände zeigten Andrea Mayer, dass sie das Motorrad noch nicht ausreichend beherrschte. So begann die ehrgeizige Frau, auf einem Motorcross-Gelände zu trainieren. Der Erfolg stellte sich schnell ein und zahlte sich bald in Erfolgen bei Rennen aus. 1992 fuhr sie ihre erste Rallye. Spätestens danach war ihr klar: »Das ist mein Leben.«
Es dauerte nur bis 1996, da stand sie am Start der Rallye Paris-Dakar, wie die Veranstaltung damals noch hieß. »Ich hatte meinen Job gekündigt, alles Geld, was ich hatte, zusammengekratzt und mich in das Abenteuer gestürzt.« Wovon sie heute mit einem Lächeln im Gesicht erzählt, war härteste Knochenarbeit. Aber sie kam durch. Und nicht nur das. Andrea Mayer gewann auf Anhieb die Damenwertung. Ein echter Knaller, den sie 1999, 2001 und 2002 auf BMW und KTM wiederholte.
Noch im Jahr 2002 wechselte Andrea Mayer erneut die Marke - und auch die Anzahl der Räder. Denn Mitsubishi war auf die erfolgreiche Deutsche aufmerksam geworden und bot ihr einen Platz im Pajero an. »Der Abschied vom Motorrad war wirklich schwer. Doch ein solch attraktives Angebot kann man einfach nicht ausschlagen«, erzählt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. So habe sie sich auch unglaublich motiviert an die neue Aufgabe gemacht. Allerdings musste sie auch feststellen, damit wieder von vorne anfangen zu müssen. Lernen und neue Erfahrungen sammeln standen auf dem Lehrplan. Die Wahl-Schweizerin brauchte indessen nicht lange, um sich unter den Vierrad-Kollegen zu akklimatisieren Schon 2003 gewann sie bei der Rallye Tunesien die Diesel-Klasse, und 2004 schob sie sich bei der Dakar sogar auf den fünften Rang der Gesamtwertung. Und das, obwohl ihre Aufgabe hauptsächlich darin bestand, den Mitsubishi-Kollegen bei Pannen mit Material zu helfen oder sie im Notfall abzuschleppen, um dem Team den Sieg zu ermöglichen.
»Das wird auch bei der Dakar 2005 so sein. Ich bin ein Teil der Mannschaft und habe im Service-Wagen meine Aufgabe zu erfüllen. Mitsubishi will den Gesamtsieg. Dafür arbeiten wir alle zusammen.« Dabei könnte es sogar sein, dass der Sieg quasi in der Familie bleibt. Schließlich fährt Stéphane Peterhansel, der Lebensgefährte Mayers, auch Mitsubishi. Als Sieger der Dakar 2004 wird er auch für 2005 als Favorit gehandelt. Wenige Tage vor dem Start in Barcelona ist Andrea Mayer überaus zuversichtlich, dass das Vorhaben gelingt. »Wir haben unsere Fahrzeuge bestens vorbereitet.« Mayer fährt nicht mit einem der Spitzen-Pajero-Modelle, sondern wird wie 2004 mit einem Pickup L200 unterwegs sein. »Mein Auto ist aber eine ganze Stufe besser als im vergangenen Jahr«, betont sie, dass viele der technischen Verbesserungen auch dem L 200 (Vierliter-Benziner mit etwa 270 PS) zugute gekommen sind.
Sie selbst hat in den letzten Wochen vor dem Start alles getan, um körperlich und mental fit zu sein. »Neben unserem festen Trainingsprogramm haben wir mit zwei Spezialisten noch einmal konsequent in Sachen Koordination, Kondition, Konzentration und Schnelligkeit gearbeitet. Die Dakar kann kommen.«
Das sieht auch Jutta Kleinschmidt so. Die 42-Jährige stand 2001 bereits einmal ganz oben auf dem Siegerpodest der Dakar - als erste Frau überhaupt. Am Steuer eines Mitsubishi ließ sie der Konkurrenz keine Chance. Vor zwei Jahren aber hat die in Monaco lebende gelernte Diplom-Ingenieurin die Fronten gewechselt und bei Volkswagen einen Vertrag unterschrieben. In einem Race-Touareg (2,5 Liter V5 Diesel, etwa 260 PS) geht sie mit großen Ambitionen an den Start. »Das Auto ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich besser geworden. Motor, Fahrwerksabstimmung, Zeitgewinn bei der Behebung technischer Defekte und auch die Bequemlichkeit im Auto - wichtig für Kondition und Konzentration auf den harten Etappen - zählt die erfolgreiche Rennfahrerin im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT auf. Schon der Auftritt bei der Dakar 2004 sei unterm Strich erfolgreich gewesen. »Leider haben wir unser Auto in einem Wasserloch auf einer Etappe versenkt. Das hat uns viele Stunden gekostet. Sonst wären wir auch im Gesamtergebnis weiter vorn gewesen. Doch ein Etappensieg mit einem komplett neuen Auto - das konnte sich sehen lassen.« Für die Dakar 2005 hat Jutta Kleinschmidt klare Vorstellungen. »An den Sieg zu denken, wäre vermessen. Aber wir wollen aufs Podium. Platz zwei oder drei sind mit dem Touareg drin.«

Artikel vom 29.12.2004