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Arminia Bielefeld

Selbst der »Kaiser« kennt jetzt Patrick Owomoyela

Wer kannte vor einem Jahr schon Patrick Owomoyela? Franz Beckenbauer jedenfalls nicht. Zwölf Monate später musste sich der »Kaiser« korrigieren: »Er ist für mich die Entdeckung«, sagte er nach der Länderspielpremiere des Bielefelders, nachdem er dessen Nachnamen endlich einmal »unfallfrei« ausgesprochen hatte. Jetzt jagen der FC Schalke 04, der VfB Stuttgart und wohl auch der FC Bayern München das sympathischste Gesicht des DSC Arminia Bielefeld.


Ein geheimer Treff im November in der Arena AufSchalke. Neben Arminia-Coach Uwe Rapolder, der diesen Job im März von Benno Möhlmann übernommen hat, stehen Bundestrainer Jürgen Klinsmann, sein Assistent Jogi Löw und DFB-Manager Oliver Bierhoff. Thema der Unterredung: die Nationalmannschaft und Arminia Bielefeld.
Kurz darauf taucht mit Patrick Owomoyela erstmals seit fünf Jahren wieder ein DSC-Spieler im A-Aufgebot des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auf. Bei der Asienreise Ende Dezember bestreitet der 25 Jahre alte Fußballprofi nach nur siebzehn Einsätzen in der ersten Bundesliga gegen Japan und Südkorea seine ersten LänderspieleÊ-Êein märchenhafter Aufstieg.
So wie der des »ewigen Fußball-Aschenputtels« Arminia in diesem Jahr. Noch im Februar regieren in Bielefeld nach einem verpatzten Rückrundenstart Durchhalteparolen. »Wir müssen nach oben blicken. Wenn wir nach unten schauen, kann einem schwindelig werden«, sagt Mannschaftskapitän Mathias Hain nach der ernüchternden 1:3-Heimpleite in der 2. Liga gegen Lübeck. Doch dann wird alles anders. Unter dem neuen Trainer startet der Klub durch. Rapolder kommt Anfang März, und schon Mitte Mai kann der siebte Erstligaaufstieg in der Vereinsgeschichte bejubelt werden.
Der Held des Sommers heißt aber nicht Patrick Owomoyela. Gefeiert werden in Bielefeld andere: Rüdiger Kauf, der Unerbittliche; Petr Gabriel, der Unersetzliche; Isaac Boakye, der Unersättliche. Noch ist Owomoyela »nur« einer von vielen. »Vor zwei Jahren noch Regionalliga, jetzt spiele ich in der Bundesliga«, kommentiert er zurückhaltend und ein wenig ungläubig die Beförderung in die höchste deutsche Spielklasse. Doch bald erspielt sich der rechte Außenposten der Bielefelder eine zentrale Rolle im Mannschaftsgefüge - meistens im Mittelfeld, mitunter aber auch als Verteidiger. Der Trainer macht deutlich, dass er Owomoyelas Zukunft mehr in der defensiven Rolle sieht. »Da kann er seine Stärken viel besser ausspielen«, sagt Rapolder und verblüfft damit viele Beobachter, die in dem dribbelstarken 25-Jährigen einen offensiven Rechtsaußen sehen.
Auch Owomoyela hat sich dem Trainer angeschlossen: »Inzwischen glaube ich ihm das«, sagt er in Asien, wo er als rechter Verteidiger seine ersten drei Länderspiele bestreitet. Für Deutschland. Nicht für Nigeria.
Denn auch das Heimatland seines Vaters Henry war auf das Ball-Talent mit der »Doppelpass-Möglichkeit« aufmerksam geworden. Owomoyela, aufgewachsen in Hamburg als Sohn eines nigerianischen Vaters und einer deutschen Mutter, hätte bereits am 17. November für Nigeria spielen können. Doch der DSC-Profi bevorzugt die deutsche Variante: »Mein emotionaler Bezug zu Deutschland ist viel stärker als der zu Nigeria. Ich bin ja noch nie dort gewesen.«
Spätestens mit der hervorragenden Leistung bei der Länderspielpremiere ist er in den großen Kreis der ernsthaften WM-Kandidaten aufgerückt. »Tadellos«, lobt Jürgen Klinsmann die Vorstellung des Bielefelders. Und für Franz Beckenbauer ist Owomoyela, dessen Namen er in der Pause noch nicht fehlerfrei aussprechen kann, »die Entdeckung des Spiels«.
Für den Arminen wachsen damit die Ziele. Die WM 2006 möchte er nicht mehr aus dem Blick verlieren. Doch er will auch künftig immer einen Schritt nach dem anderen machen: »Ich hoffe, dass ich gesund bleibe und weiter in der Nationalmannschaft spiele«, hat er sich für die nächsten zwölf Monate vorgenommen, in denen Arminias Klassenerhalt für ihn außer Frage steht.
Offen bleibt, ob Arminias Märchenprinz danach, im WM-Jahr, noch das Bielefelder Vereinstrikot tragen wird. Vertraglich ist er zwar bis zum 30. Juni 2006 an Arminia gebunden, doch der FC Schalke 04 hat bereits offiziell sein Interesse bekundet. Und was sich S04-Manager Rudi Assauer einmal in den Kopf gesetzt hat, hat er bislang (fast) immer bekommen. Vor allem, wenn er dabei der Konkurrenz aus Stuttgart und München zuvorkommen kann.

Ein Beitrag von
Hans Peter Tipp

Artikel vom 31.12.2004