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Die frohe Botschaft der Ärzte:
Lukas (6) hat den Krebs besiegt

Junge kämpfte 15 Monate gegen die Krankheit, die ihm die Luft nahm

Von Christian Althoff
Paderborn(WB). Wenn am Heiligen Abend die Drachenburg von Playmobil unter dem Weihnachtsbaum liegt, wird Lukas (6) sich mächtig freuen. Und auch seine Mutter wird strahlen, denn noch vor einem Jahr wusste sie nicht, ob ihr Sohn ein weiteres Weihnachtsfest erleben würde. Lukas hatte Lymphknotenkrebs und schwebte lange zwischen Leben und Tod. Heute hat der Sechsjährige die tückische Krankheit besiegt.

Esther Ehlers (34) ahnte bereits das Schlimmste, als Lukas im September 2003 plötzlich Fieberschübe bekam, abmagerte, an Atemnot litt und sich ständig übergeben musste. »Ein paar Wochen vorher war meine Mutter an Krebs gestorben, und sie hatte die gleichen Symptome. . .«, erinnert sich die alleinerziehende Mutter aus Paderborn-Neuenbeken. Sie fuhr mit Lukas von Arzt zu Arzt und von Krankenhaus zu Krankenhaus. Die Diagnosen reichten von einem »verschleppten Virus« bis zu einem »schwachen Magen«. Doch Esther Ehlers blieb hartnäckig, und schließlich wurde im November 2003 mit einer Computertomographie ein zwölf Zentimeter großer Tumor entdeckt, der die Luftröhre umschloss und auf den Magen drückte.
Acht Wochen nach den ersten Symptomen kam Lukas in die Kinderklinik nach Bielefeld-Bethel. Unter Vollnarkose nahm ein Arzt eine Gewebeprobe des Tumors, der sich als Lymphknotenkrebs herausstellte. »Der Zustand des Jungen war lebensbedrohlich«, erinnert sich Prof. Dr. Johannes Otte. »Das war ein sehr schnell wachsender Tumor, der die Luftröhre immer weiter einschnürte.«
Lukas wurde auf die Intensivstation K 8 verlegt. Durch einen Venenkatheter bekam er Kortison und Chemo-Medikamente, die das Krebsgeschwür schrumpfen lassen sollten. »Es war eine sehr schwere Zeit«, erzählt Esther Ehlers, die ihren Sohn damals keine Stunde alleine ließ und im Krankenhaus schlief. Lukas' Körper schwemmte auf, und er fühlte sich immer elender. »Als ihm dann noch die Haare ausfielen, erinnerte er sich an seine Oma, der es genauso gegangen war, und er fragte mich: Mama, muss ich jetzt sterben? Ich habe gesagt: Lukas, ich weiß es nicht. . .«, erinnert sich die Mutter und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
Die Monate auf der Kinderkrebsstation - sie haben tiefe Spuren bei der 34-Jährigen hinterlassen. »Man sieht dort fröhliche Kinder, die im Laufe der Wochen immer stiller werden, und eines Tages sind sie einfach nicht mehr da«, erzählt die Paderbornerin. »Die übrigen Jungen und Mädchen auf der Station verdrängen den Tod ihrer Altersgenossen sehr schnell, aber als Eltern beschleicht einen eine unglaublich bedrückende Angst.«
Auch Lukas hat in diesen Monaten manchmal der Mut verlassen. »Am schlimmsten waren die Rückenpiekse«, sagt er und meint die Lumbalpunktionen, bei denen mit einer Nadel Hirnwasser aus der Wirbelsäule gezogen wurde. Zehnmal musste der Junge im 14-tägigen Rhythmus diese schmerzhafte Prozedur über sich ergehen lassen, die ihn heute noch im Schlaf verfolgt. »Ich habe manchmal Alpträume, in denen mein ganzer Körper von diesen Spritzen durchlöchert wird«, erzählt der Sechsjährige. Esther Ehlers streicht ihrem Sohn über seien inzwischen nachgewachsenen roten Haarschopf und erinnert sich: »Als die Schmerzen ganz schlimm wurden, sagte Lukas einmal sogar: ÝIch will zu Oma Heidi. Das ist gar nicht schlimm, dann bin ich doch ein EngelÜ.«
Bis April dieses Jahres zog sich die Kortisonbehandlung hin, die die Mutter zuletzt zu Hause durchführen konnte. Jeden zweiten Tag spritzte sie Lukas das Medikament in seinen Venenkatheter. »Doof war, dass ich fast nie nach draußen durfte, weil ich mich nicht irgendwo anstecken sollte«, sagt der Junge, der vor Ausbruch der Krankheit bei den Minikickern des TuS Altenbeken gespielt hatte.
Der Tumor bildete sich durch die Kortisongabe und die Chemotherapie im Laufe der Monate immer weiter zurück und war irgendwann verschwunden. Jetzt muss Lukas voraussichtlich noch bis Mai täglich eine Chemo-Tablette schlucken, die etwaige neue Krebszellen in Schach halten sollen. Außerdem fahren Mutter und Sohn alle zwei Wochen zu Kontrolluntersuchungen nach Bielefeld. Während Esther Ehlers mit anderen Müttern und Vätern im Wartebereich der Krebs-Ambulanz sitzt, lässt sich Lukas einen Raum weiter ein paar Tropfen Blut abnehmen, trägt das Röhrchen anschließend ins Labor und darf sich dort aus einem Korb ein kleines Spielzeug aussuchen. »Für Lukas ist der Ablauf hier zur Routine geworden, die er ohne meine Hilfe erledigen will«, sagt die Mutter. Nur zur abschließenden Besprechung der Laborwerte begleitet sie den Sechsjährigen ins Behandlungszimmer - und dort erfuhren die beiden zehn Tage vor Weihnachten die gute Nachricht. »Lukas hat es geschafft«, sagte Chefarzt Johannes Otte. »Er hat den Krebs besiegt, und nichts spricht dafür, dass wir einen Rückfall befürchten müssen.«

Artikel vom 24.12.2004