17.12.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Schock: Bild ist
nur eine Kopie

Museum will aber weiter forschen

Von Iris Leithold
Schwerin (dpa). Das Staatliche Museum Schwerin muss eine spektakuläre Abschreibung hinnehmen. Ein Porträt der Königin Charlotte von England aus dem Jahr 1781, das bislang als Spätwerk des Malers Thomas Gainsborough (1722-1788) galt, hat sich als zeitgenössische Kopie herausgestellt.
Nur eine zeitgenössische Kopie: Gemälde mit dem Porträt der Königin Charlotte von England aus dem Jahr 1781.Foto: dpa

Der Wert des 238 mal 186 Zentimeter großen Ganzkörper-Porträts mit Hündchen stürzte von 40 Millionen Euro auf geschätzte 36200 Euro. Als Urheber des Gemäldes wird nun William Hannemann angenommen. Er hatte seinerzeit mehrere Kopien von den eigentlich zusammen gehörenden Porträts des Königspaars Charlotte und Georg III. angefertigt. Dies schreibt der Kunsthistoriker Hugh Belsey vom Gainsborough's House im englischen Sudbury in einer Expertise. Um die war er gebeten worden, weil »Charlotte« zu den Stücken gehört, die im Zuge der Restitution den Nachfahren des mecklenburgischen Großherzogs zugesprochen wurden.
Möglicherweise schenkte die königliche Familie den Mecklenburgern die Kopie als eine Gabe zur Repräsentation unter Verwandten. Charlotte war eine Prinzessin aus Mecklenburg-Strelitz und hatte 1761 König Georg III. von England geheiratet. Das Original von Gainsborough, da ist sich Belsey sicher, hängt in der königlichen Sammlung in Windsor Castle in London.
Belsey argumentiert in seinem Schreiben an das Schweriner Museum vor allem mit der Entstehungsgeschichte des Originals, das von einer zeitgenössischen Zeitung reflektiert worden war. Die berichtete demnach von der einzigen Darstellung Georgs III. in der fraglichen Zeit. Das Bild habe enorm schnell fertig werden müssen, noch in der Nacht vor der Präsentation habe Gainsborough gemeinsam mit seinem Neffen an der Draperie im Hintergrund gearbeitet. Belsey schlussfolgert daraus, dass es kein zweites Bild von der Hand Gainsboroughs geben kann, und das beschriebene Original hänge definitiv in London.
»Ich nehme das erstmal hin«, sagt die Direktorin des Staatlichen Museums Schwerin, Kornelia von Berswordt. »Man muss natürlich weiter dazu forschen, zum Beispiel die Unterzeichnung betrachten.« Was Belsey schreibe, sei aber schon sehr schlagend. Zweifel an der Urheberschaft Gainsboroughs hätten zuvor auch schon andere Kunsthistoriker geäußert, sie hätten auf Details in der Malweise Bezug genommen.
Zu- und Abschreibungen gibt es vor allem bei Alter Kunst immer wieder. Im Sommer 2003 konnte sich das Schweriner Museum über eine spektakuläre Zuschreibung freuen. Bei Ausstellungsvorbereitungen gelang es dem Kunsthistoriker Gero Seelig, das Gemälde »Fischmarkt vor einer Stadt am Wasser« Jan Brueghel dem Älteren (1568-1625) zuzuschreiben.

Artikel vom 17.12.2004