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»Keine Armee der Schleifer«

Wehrbeauftragter Penner verteidigt die Bundeswehr

Berlin (dpa). Trotz der Misshandlungen von Soldaten wird die Bundeswehr an der harten Ausbildung für Auslandseinsätze samt Simulierung von Geiselnahmen nichts ändern.
Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) und der Wehrbeauftragte der Bundestags, Willfried Penner, warnten gestern im Parlament davor, die schockierende Malträtierung von Wehrpflichtigen am Standort Coesfeld mit der nötigen Übung für den Ernstfall zu vermischen. Bundestag und Regierung seien verantwortlich dafür, dass die Soldaten auf Extremsituationen in Auslandseinsätzen vorbereitet werden.
Struck betonte, es gebe eine scharfe Grenze. Militärische Ausbildung dürfe und müsse sogar zur bestmöglichen Vorbereitung auf die Einsätze »körperlich wie seelisch sehr anstrengend sein«. Misshandlungen aber würden unter keinen Umständen toleriert. An seiner Bestürzung über die Vorfälle habe sich nichts geändert. Die Bundeswehr arbeite an Aufklärung und Prävention.
Penner sagte in der Debatte über seinen im März veröffentlichten Jahresbericht 2003: »Die Bundeswehr ist keine Armee der Schleifer und Drangsalierer.« Die meisten der 12 000 Ausbilder gäben zu dienstlichen Beanstandungen keinen Anlass. »Sie haben es nicht verdient, unter Generalverdacht gestellt und damit gesellschaftlich geächtet zu werden.« Die Bundeswehr sei aber auch nicht irgendein öffentlicher Dienstleister. »Die Bundeswehr hat auch mit Gewalt zu tun, mit Anwendung von Gewalt und Abwendung derselben auch durch Gewalt. Es ist staatlich legitimierte Gewalt und Abwehr.«
Sollten Bundestag und Regierung eines Tages die Beteiligung an einem Kampfeinsatz beschließen, müsse allen klar sein, worum es geht, sagte Penner. »Um Zerstören, Verwunden, verwundet zu werden. Und es geht auch um Sterben und Töten. Das ist dann nicht die Stunde der Rambos und Brutalos, sondern der Bewährung für die Tragfähigkeit der Inneren Führung. Wer dabei seine individuellen Quälgelüste auslebt, ist in der Bundeswehr fehl am Platz.«
Penner mahnte angesichts der Bundeswehrreform, die Soldaten bräuchten »Zeit zum Atemholen«. Es werde ihnen mit dem Wandel zur Armee im Einsatz auch eine »riesige Kraftanstrengung« abverlangt. Die Zahl der Beschwerden sei weiterhin hoch. In diesem Jahr habe es bisher 5890 Eingaben gegeben - ähnlich viele wie im Vorjahreszeitraum.
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Christian Schmidt (CSU), sagte: »Noch nie hatten so wenige Soldaten so viel Sorgen. Denn die Bundeswehr hat den niedrigsten Personalstand seit 1961 erreicht.« Der Bundeswehr fehlten Geld und Mittel. Der Grünen-Politiker Winfried Nachtwei sagte, die Zahl der Beschwerden zeige, dass die Bundeswehr keine Armee von Duckmäusern sei

Artikel vom 17.12.2004