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Leitartikel
Nullrunden bei der Rente

Ullas Masche: linke Tasche, rechte Tasche


Von Reinhard Brockmann
Für gut 19 Millionen Rentner in Deutschland wird das neue Jahr nicht einen Deut besser als das alte. Aufschung, das war einmal!
Der Verband der Rentenversicherer formuliert im Müntefering/Eichel-Stil, die Altersversorgung sei »auf Kante genäht«. Selbst die traditionell vorsichtige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte spricht von einer weiteren Nullrunde. Und: »Ruhiges Fahrwasser« sei bei den Rentenfinanzen auch 2005 nicht in Sicht. Das sagte Vorstandschef Hartmann Kleiner bei einem Fachgespräch dieser Tage in Berlin.
Die wütende Reaktion aus Regierungskreisen ließ kaum eine Stunde auf sich warten: »Es ist weder seriös noch der Rentenversicherung dienlich, jetzt in dunklen Tönen über die Entwicklung der Rentenfinanzen im kommenden Jahr zu spekulieren«, ließ Ministerin Ulla Schmidt durch ihren Sprecher stante pede zurückgiften. Sie selbst hielt sich bedeckt, wollte in diesem Zusammenhang nicht so gern zitiert werden.
Fakten: Das als »Sonderbeitrag« getarnte Krankengeld für Rentner (Beiträge ohne Leistung) frisst faktisch den allerletzten Rest einer möglichen Rentenerhöhung zum 1. Juli 2005 auf. Nach den Voraussagen der Rentenversicherer würde die Mitte 2005 fällige Anpassung nach oben im Westen 0,11 Prozent und im Osten 0,22 Prozent betragen. Das heißt: Ein Ruheständler mit 1000 Euro Rente bekäme in Bielefeld 1,10 Euro, in Bitterfeld 2,20 Euro. Wenig genug.
Der Rechentrick »Sonderbeitrag/Krankengeld/Zahnersatz« führt allerdings zum Abzug von neun Euro - Geld, das an die jeweilige Krankenkasse zu überweisen ist. Wer will da noch Beifall spenden, wenn Ulla Schmidt im kommenden Sommer erklären wird, sie habe den Kassen eine Beitragssenkung um 0,9 Punkte abgerungen? Der billige Trick hat einen bekannten Namen: Linke Tasche - rechte Tasche. Seit dem Regierungsantritt von Rot-Grün 1998 gibt es 800 000 Vollarbeitsplätze weniger in Deutschland. Diese Beiträge fehlen. Das kann nicht die Schuld der Rentner sein.
Fazit: 2004 wurde der Pflegebeitrag verdoppelt, kam die volle Beitragspflicht auf Betriebsrenten, und zum 1. April 2005 gibt es einen rückwirkenden Pflegeaufschlag für kinderlose Rentner. Frau Schmidt und Co. sollten um Altenheime und Rentnertreffs besser einen großen Bogen schlagen. Ihr und den Genossen würde sonst einmal aufgelistet, was außerdem auf alte Menschen zukommt. Neben den Konzernen hat auch die Politik das Heizen teuer gemacht.
Viele Medikamente und Hilfsmittel werden gar nicht mehr bezahlt, die im Januar erneut fällige Praxisgebühr bedeutet Beteiligung an der Medizin auf Rezept, und das Krankenhaus kostet mehr denn je. Das trifft Alte mehr als andere.
Fatal: Die Kostenbegrenzung auf drei bzw. 1,5 Prozent der Einkünfte bestraft alle, die geringfügig mehr haben. Zum Dank dafür, dass sie sich im Leben reingehängt haben, sollen sie im Alter nun noch tiefer als andere in die eigene Tasche greifen.

Artikel vom 17.12.2004