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Rentner zahlt
ohne Chance
auf Leistung

2005 Beiträge für Krankengeld

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). 19 Millionen Ruheständler sollen vom 1. Juli nächsten Jahres an Beiträge für eine Versicherung bezahlen, die sie nie in Anspruch nehmen können.

Alle sozialversicherten Bürger müssen von diesem Tage an den Anspruch auf Krankengeld mit 5 Euro und Zahnersatz mit 4 Euro je 1000 Euro Bruttoeinkommen ohne Zuschuss vom Arbeitgeber versichern. Das Verfahren wird auch auf Ruheständler angewandt. Die Prämie fürs »Krankengeld« versteckt sich allerdings hinter der Wortschöpfung »Sonderbeitrag«. Der Reichsbund und der Sozialverband VdK vermuten dahinter ein Manöver der Bundesregierung, um bei absehbaren Klagen bessere Chancen zu haben.
Der Bundestag hat nach monatelangem Streit um die Gesundheitsreform mit rot-grüner Mehrheit folgendes Verfahren beschlossen: Zur Entlastung von Arbeitgebern und Sozialkassen wird vom 1. Juli 2005 an der Extrabeitrag von 0,9 Prozent auf alle Bruttoeinkommen, also auch auf Renten und Pensionen, erhoben. Der Beitrag zum Zahnersatz kommt sechs Monate später als geplant, die Krankengeldversicherung ist zur Kostendeckung um ein halbes Jahr vorgezogen. Außenstehende halten es für möglich, dass die mitvereinnahmten Rentner bei den zuletzt hektischen Verhandlungen schlicht übersehen wurden.
VdK-Präsident Walter Hirrlinger (78): »Beim Krankengeld sollen Rentner für eine Leistung bezahlen, die sie nicht bekommen.« Weil es sich um eine »Ersatzleistung für ausfallenden Lohn bei Arbeitsunfähigkeit« handelt, werde der VdK rechtliche Schritte prüfen. »Man stelle sich vor, private Versicherer verlangten Beiträge für Leistungen, die sie nicht bezahlen. Sie würden alle Prozesse verlieren.«
Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) hat den Kassen vorgeschrieben, ihre Beiträge im Juli um 0,9 Punkte zu senken. Das nützt Berufstätigen mit Anspruch auf Krankengeld, nicht aber Rentnern.
750 000 kinderlose Rentner müssen von April an höhere Pflegebeiträge zahlen. Darauf hat der Vorstandschef der Bundesversicherungsanstalt, Hartmann Kleiner, in Berlin hingewiesen. Die Entwicklung zum 1. Juli nennt selbst der BfA-Chef einen »ziemlich unübersichtlichen Vorgang«. Kleiner vermied exakte Zahlen, sagte aber, alle Rentner müssten sich zur Jahresmitte auf eine Minderung ihres Auszahlungsbetrages einstellen. Dies gelte auch für privat- und freiwillig versicherte Rentner, deren Beitragszuschuss entsprechend gekürzt werde.Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 17.12.2004