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Beethoven sucht die Virtuosität

Münstermann wird Snooker-Profi

Von Oliver Kreth
Bielefeld (WB). Snooker, ein neuer Trendsport in Deutschland -ĂŠauch dank Dauerübertragungen im TV-Sender »eurosport«. Richtig »in« ist der Billard-Ableger allerdings in England, Holland und Belgien.

Da genießt er Kultstatus - wie hierzulande der Fußball, findet Deutschlands Bester. Der kommt aus Bielefeld und lebt noch in Hannover. Lasse Münstermann, 25 Jahre jung, aber schon mit einer langen Erfolgsliste: 17. der Amateur-WM 2004, deutscher Meister 2004, 2003, 2. Platz DM Einzel 2002, 2001, Teilnahme Profitour Großbritannien 2000/2001, Finalist Eurotour 1999/2000, 5. Platz U19 Einzel 1997, 9. Platz U21 1996, 2. Platz DM Einzel 1996, 2. Platz DM Einzel 1994, 1. Platz DM Doppel 1994/97, 1. Platz DM Mannschaft 1995/96.
Ziemlich imponierend. Doch der Champion aus dem Snooker-Entwicklungsland wusste schon 2003, dass er international nur Lehrlingsstatus genießt. »In Holland und England gibt es Elfjährige, die meine Spielstärke haben. Zwar nicht viele, aber einige gibt es doch.« Um diesen Nachteil auszugleichen ließ sich der gebürtige Göttinger schon häufiger Schulungen in Holland verpassen. Diese Wochen Feinschliff waren und sind nicht gerade billig, und für den Fachinformatiker ohne Sponsoren nicht finanzierbar.
Infiziert wurde Lasse Münstermann schon in ganz jungen Jahren. Sein Vater brachte ihn mit dem Sport auf dem grünen Filzbelag in Kontakt - bei einem Familienurlaub in Dänemerk.
Andere Spielarten des Billard langweilten ihn schnell. Snooker reizt ihn vor allem, weil »man schon drei Züge im voraus planen muss, wissen sollte, wo dann der Ball liegt«. Als einziges »technisches« Hilfsmittel ist die »Oma« zugelassen. Das ist eine Verlängerung, die benutzt wird, um das Queue - wenn der eigene Arm nicht mehr ausreicht - stabil hinter dem Spielball zu positionieren.
Die »Oma« und die weiße Kunstharzkugel stehen im Zentrum der kleinen Bielefelder Snooker-Welt an der Herforder Straße. Unterhalb der Sporthalle in der ehemaligen britischen Kaserne stehen sechs Spieltische, jeweils 1,5 Tonnen schwer. 250 Kilogramm schwere Platten sorgen für die notwendige Stabilität. »Holz arbeitet. Das würde die Laufeigenschaften verändern.«
Seit Juli 1990 ist der am 8. April 1979 Geborene Mitglied im 1. SBC Bielefeld. Seine Mitgliedsnummer ist die 19. Jetzt war er auf seiner Abschiedstour durch Deutschland auch zu Gast in seinem Verein. Geld sammeln für das ganz große Experiment: Profi werden im Mutterland des Snooker.
Zusammen mit Patrick Einsle und Sascha Lippe geht er zum Jahreswechsel nach England. Der Plan ist auf fünf Jahre angelegt. Trainiert wird in der Snooker Academy von Keith Warren. Gecoacht wird der Bielefelder von Chris Henry. Und das Ziel, an dem die beiden arbeiten, ist äußerst ergeizig. Lasse Münstermann: »Ich will unter die besten 30 der Welt.«
Seine Mutter findet die Entscheidung »mutig«, von seinen deutschen Fans erhofft er sich - auch finanzielle - Unterstützung für das nicht ganz risikolose Abenteuer. Für den besseren Durchblick hat er sich eine randlose Brille zugelegt. Und einen »Kampfnamen« für gute PR hat er auch schon: »Beethoven« nennen sie Lasse Münstermann - bisher nur wegen seiner langen Haare. Vielleicht in fünf Jahren auch wegen seines virtuosen Spiels.

Artikel vom 18.12.2004