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Uni-Senat gegen Studiengebühren

Abschreckungseffekt befürchtet - Kritik an Unzuverlässigkeit des Staates


Von Sabine Schulze
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Gegen allgemeine Studiengebühren bereits für ein grundständiges Studium spricht sich der Senat der Universität Bielefeld aus. Derzeit und auf absehbare Zeit hält er sie für einen falschen Weg, um die Hochschulfinanzen zu sanieren - zumal die politische Erfahrung lehre, dass der Staat diese Gebühren zumindest teilweise, wenn nicht ganz zweckentfremdet zum Stopfen von Haushaltslöchern nutze.
Aktueller Anlass für dieses Votum ist die Erwartung, dass das Bundesverfassungsgericht das in der Novelle des Hochschulrahmengesetzes formulierte Verbot von Studiengebühren vermutlich kippen wird; zudem hat sich die Hochschulrektorenkonferenz mehrheitlich für studentische Beiträge quasi als »Drittmittel« für die Lehre ausgesprochen.
»Seit mehr als zehn Jahren sind die deutschen Hochschulen unterfinanziert. Und von den Ländern ist derzeit nichts zu erwarten«, gesteht auch Uni-Rektor Prof. Dr. Dieter Timmermann zu. Insofern könnten Studiengebühren durchaus Entlastung bringen - »aber ein nicht zu vernachlässigender Teil der Studierenden wird sie schlicht nicht aufbringen können«, fürchtet Timmermann. Ein flankierendes Stipendiensystem wäre daher schlicht die unabdingbare Voraussetzung.
Trotz der viel und gerne zitierten Sozialverträglichkeit, die bei den Studiengebühren greifen soll, kann der Rektor diese nicht ansatzweise erkennen. Senat und Rektorat sehen eine Entwicklung voraus, in der bildungsferne Familien ihren Kindern ein Studium nicht mehr ermöglichen, in der gar ein »Mittelstandsloch« auftritt. Mit einem Abschreckungseffekt rechnet auch Ingo Bowitz, Vorsitzender des Allgemeinen Studierendenausschusses. Dabei ist erklärtes Ziel aller Bildungspolitiker, die Quote derer, die eine wissenschaftliche Ausbildung absolvieren (derzeit knapp 40 Prozent eines Jahrganges), zu erhöhen.
Dass sich die Akademiker von morgen langfristig an den Studienkosten beteiligen müssen, schließt Timmermann nicht aus: Wenn andere, große Bundesländer Studiengebühren einführen, werde es eine Wanderung der Studierwilligen in die Länder »ohne« geben. »Wir werden überlaufen.« Erwehren könne man sich dessen dann nur über einen Numerus Clausus oder eben Studiengebühren - wobei Landeskindern dann womöglich Rabatte einzuräumen wären.
Für die Studierenden hätten Gebühren zumindest einen Vorteil, meint Timmermann (der selbst als Student auch Gebühren und Hörergelder berappen musste): Sie könnten als Kunden auftreten und für ihr Geld eine Gegenleistung verlangen - nämlich bessere Studienbedingungen.

Artikel vom 15.12.2004