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Kahn kritisiert Kritiker

Ankunft in Japan: Rückendeckung von Klinsmann

Yokohama (dpa). Jürgen Klinsmann strich das Training und ließ seine übermüdete Reisegruppe erst einmal ausspannen. Nur Oliver Kahn war voll am Ball und ging trotz des Jetlags sofort zum Angriff über.

Nach der Ankunft in Japan blies der Nationaltorhüter zur Generalabrechnung mit seinen Kritikern, sprach von einer Kampagne gegen ihn und schreckte auch vor einer Majestätsbeleidigung nicht zurück. »Ich weiß nicht, ob der Franz das alles noch so richtig beurteilen kann«, sagte der 35-Jährige an die Adresse von »Kaiser« Beckenbauer, der nach Kahns Fehler beim 2:2 gegen den VfB Stuttgart dessen Leistungsfähigkeit im »hohen Alter« in Frage gestellt hatte.
»Er ist ein sehr viel beschäftigter Mann. Ich weiß nicht, wie viele Spiele er von unserer Mannschaft zuletzt überhaupt gesehen hat«, zweifelte Kahn am Urteilsvermögen des Bayern-Präsidenten. Wie eine Statue saß der Keeper im Journalisten-Hotel auf dem Podium und starrte mit Tunnelblick in den Saal. Verbittert, aber bestens präpariert trug er seine Argumente mit fester Stimmer vor.
»Ich habe in dieser Hinrunde schon 30 Pflicht-Spiele gemacht, dabei sind mir zwei Fehler unterlaufen, einer gegen Juventus Turin und ein kleinerer gegen den VfB Stuttgart. Wenn es mir gelingt, diese Quote nach 70 Spielen beizubehalten, ist das eine großartige Leistung und mit Sicherheit nichts Schlechtes«, rechnete Kahn seinen Kritikern vor.
Dies werde von der auflagenstärksten deutschen Zeitung »Bild«, für die Beckenbauer seit Jahren regelmäßig seine Kolumnen verfassen lässt, krass fehlbewertet. Kahn war total sauer: Er habe mittlerweile schon den Eindruck, dass da eine gezielte Kampagne gegen ihn laufe.
Demonstrative Rückendeckung erhielt Kahn, der morgen (12.30 Uhr MEZ/ARD) gegen Japan sein 75. Länderspiel bestreiten wird, vom Bundestrainer. »Es ist ja nicht gerade wenig, was auf ihn in letzter Zeit eingestürzt ist. Aber wir sind hoch zufrieden mit ihm. Er hat bei der EM kein Tor verschuldet und auch die beiden Länderspiele in diesem Halbjahr ordentlich gemacht«, sagte Klinsmann. TV-Chefkritiker Günter Netzer ergriff im DSF-Interview bei Boris Becker ebenfalls Partei für Kahn: »Er ist ein erstklassiger Torwart nach wie vor und hat sich nicht so viel zu Schulden kommen lassen, dass man ihn unbedingt auswechseln muss. Er hat einen Denkzettel gekriegt, durch die Tatsache, dass man seine Position ausgeschrieben hat.«
Ausgerechnet bei der Rückkehr in die Endspielstätte der WM 2002, in der Kahn beim 0:2 gegen Brasilien nach einem grandiosen Turnier ein spielentscheidender Patzer unterlaufen war, steht der 35-Jährige nun erneut im Brennpunkt. »Dieses Spiel ist gar nicht so schlecht, um das ein oder andere zu verarbeiten«, demonstrierte Kahn Zuversicht: »Diesen letzten kleinen Schritt, den wir 2002 nicht gemacht haben, wollen wir nun 2006 machen.«
Voraussichtliche Aufstellung:Kahn - Friedrich, Wörns, Mertesacker - Borowski, Ernst, Schneider - Schweinsteiger, Ballack - Asamoah, Klose.

Artikel vom 15.12.2004