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Autobahnwunder selbst gemacht

Warum das Emsland den schnellen A 31-Lückenschluss bekommt und OWL weiter auf die A 33 wartet

Von Stefan Küppers
Emsland/Bielefeld (WB). Wer in diesen Tagen als Ostwestfale ins Emsland blickt, der staunt über das Tempo eines dortigen Autobahnprojektes. Während in OWL seit vielen Jahren der A 33-Lückenschluss über nur 27 Kilometer nicht recht voran kommen will, wird in diesem Monat die letzte Lücke der Emsland-Autobahn A 31 (42 Kilometer) nach knapp vier Jahren Bauzeit geschlossen. Dieser Lückenschluss ist Ergebnis einer einmaligen Willens- und Kraftanstrengung einer ganzen Region. Erstmals wird in Deutschland eine Autobahn regional, grenzüberschreitend und privat mitfinanziert.
Die A 31 verbindet das Ruhrgebiet mit Ostfriesland.

A 33 und A 31: Die Historien dieser beiden Autobahnen weisen manche Parallelen auf. So war auch die A 31 zwischen dem Ruhrgebiet und dem Nordseehafen Emden eine scheinbar »unendliche Geschichte«. Schon seit den 60er Jahren war an der A 31, die das strukturschwache Emsland an der Grenze zu den Niederlanden erschließen soll, geplant worden. 1998 war die A 31 im Süden bis Ochtrup und im Norden bis Geeste gebaut.
Vor sechs Jahren also klaffte noch besagte 42-Kilometer-Lücke in der emsländischen Niederung. Und aus dem Berliner Verkehrsministerium kam seinerzeit die Auskunft, dass wegen fehlender Mittel im Bundeshaushalt mit einer Fertigstellung frühestens 2013 zu rechnen sei. Weitere 15 Jahre (mindestens) auf eine Autobahn warten, die für die Förderung des Emsland-Tourismus und die Ansiedlung neuer Gewerbebetriebe entlang der Strecke als ungeheuer wichtig eingeschätzt wurde, das wollte der damalige Oberkreisdirektor des Emsland-Kreises und heutige Landrat, Hermann Bröring (CDU), seiner Region nicht zumuten. Auch durch Anstoß aus den Niederlanden begann ein unkonventionelles Denken und in der Folge eine politische Kampagne, die erst eine ganze Region und schließlich auch die politischen Bedenkenträger insbesondere in Berlin mitriss.
Seit 1998 liefen dann auch die bis dahin ähnlichen Entwicklungen bei A 33 und A 31 auseinander. Während in Halle der Streit ums FFH-Gebiet Tatenhauser Wald auf seinen Höhepunkt zutrieb, »Hüttendörfler« mit Besetzungsaktionen die Polizei in Atem hielten, das NRW-Umweltministerium auch die schon verschwenkte V 16-Plus-Trasse ablehnte und Ende 1999 schließlich die A 33-Konsensgespräche bei Regierungspräsidentin Christa Vennegerts scheiterten, brachte Hermann Bröring ein neuartiges Finanzierungsmodell für die Emsland-Autobahn ins Gespräch, die so in wenigen Jahren fertig gestellt werden könnte. Er schlug vor, dass die Region dem Bund als Bauherrn für den 15 Jahre vorgezogenen A 31-Lückenschluss die Zinsleistungen bezahlt. Die Resonanz war gewaltig, auch in der Wirtschaft. Bei einer Versammlung in Papenburg machten sich 700 Unternehmer für den Lückenschluss stark, waren dafür auch zu finanziellem Engagement bereit. Als ein Antreiber fungierte der ostfriesische Unternehmer Rolf Trauernicht, der mit seiner Aussage »Wir halten mehr vom Zupacken als vom Jammern und Demonstrieren« die Stimmung auf den Punkt brachte.
Hinzu kam die Bereitschaft der holländischen Nachbarprovinzen, für den für sie ebenso vorteilhaften Lückenschluss zu zahlen. Schließlich gab auch das erst zögernde Berliner Verkehrsministerium grünes Licht. Zunächst waren dort nämlich verfassungsrechtliche Bedenken geäußert worden. Denn wenn das Emslandmodell Schule mache, könnten finanzkräftige Regionen bei der schnellen Realisierung von Verkehrsprojekten begünstigt werden. Auch über die Kostenverteilung wurde noch einmal sehr hart gerungen, was letztlich dazu führte, dass die Region ihren Finanzbeitrag dem Bund quasi als Investitionskostenzuschuss schenken musste.
Doch die Vereinbarung stand, und am 19. März 2001 wurde ein Vertrag unterzeichnet. Darin verpflichtete sich die gesamte Region, für das 213 Millionen Euro teure Teilstück 53,7 Mio. Euro als Festbetrag zur Verfügung zu stellen. Davon zahlten der Landkreis Emsland 17,8 Mio., der Landkreis Grafschaft Bentheim 9,9 Mio., die Landkreise Aurich und Leer sowie die Stadt Emden 5,5 Mio., die niederländischen Partner 11,8 Mio. (inklusive EU-Mittel) und schließlich die Wirtschaft der Region 8,8 Mio. Euro. 60 Millionen Euro finanziert das Land Niedersachsen vor, den Rest von 100 Millionen trägt der Bund.
Während im Emsland sogar tausende Bürger mit Vignettenkäufen von 50 Mark das A 31-Projekt finanziell unterstützten, machte zu jener Zeit in OWL der Poker um die Größe des FFH-Gebietes Tatenhauser Wald Schlagzeilen. Die kleineren Lösungen von 63 und 130 Hektar waren gegen den Widerstand der Umweltverbände und der LÖBF nicht durchzusetzen. Die dann wegen der Flugrouten der Bechstein-Fledermaus festgelegten 168 Hektar wurden in Randbereichen noch durch die V 16-Plus durchkreuzt - mit den bekannten Folgen: erst der »Sternchen«-Vermerk, schließlich der Zwang zur »Konsenstrasse« in Halle, deren Planung noch läuft.
Derweil machte es im Emsland wenig Probleme, mit den Naturschutzverbänden einen Konsens zu erzielen. Claus Alfes, Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe Emsland, nannte im WB-Gespräch die A 31 »ein Beispiel für gute Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Behörden«. Das Entgegenkommen bei der Ausgestaltung eines ehemaligen Bombenabwurfplatzes (Nordhorn Range) zu einem 1000 Hektar großen Naturschutzgebiet, das auch als Ausgleichsfläche dient, habe vieles erleichtert.
Auch die Wirtschaft des Emslandes jubelte, als im März 2001 die Bauarbeiten begannen. Der um 15 Jahre vorgezogene Lückenschluss bringe eine »Traum-Rendite« und etwa 250 Millionen Euro in die Region. Zugrunde liegt auch eine volkswirtschaftliche Rechnung, wonach der Nutzen der Emsland-Autobahn etwa acht Mal höher ist als die Kosten. Bei der A 33 liegt dieser Faktor übrigens bei 6,5.
Die Dynamik dieses neudeutsch genannten »Public-Private-Partnership« beflügelte übrigens auch die Bauzeit. Ein Lenkungsausschuss, in dem auch Vertreter der Wirtschaft saßen, schaffte es, dass die Autobahn weit vor dem anvisierten Termin am 31.10.2005 fertig wird. Am 19. Dezember ist am Autobahn-Dreieck Schüttorf feierliche Eröffnung.
Während die einen feiern, wird in Sachen A 33 noch eine Planungsschleife eingelegt werden. Für den Abschnitt zwischen Borgholzhausen und Steinhagen muss der Landesbetrieb eine Südtrasse prüfen, die von den bei den Kommunalwahlen erstarkten Gegnern der »Konsenstrasse« vehement gefordert wird.

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Wenn im Emsland die »unendliche« Autobahngeschichte jetzt ein schnelles »Happy End« findet, hat die A 33 noch eine jahrelange Wegstrecke vor sich. Drei Abschnitte sind noch zu bauen. Durch die Verzögerungen in Halle wegen des FFH-Gebietes Tatenhauser Wald, hat der Landesbetrieb umgeschwenkt und plant den Weiterbau von der A 2 aus. Der Abschnitt 5 b (Baukosten insgesamt 86 Millionen Euro) verläuft bis zum Ostwestfalendamm, der bis zur A 33 verlängert wird. Baubeginn könnte Anfang 2006 sein.
Für den Steinhagener A 33-Abschnitt bis zur Stadtgrenze Halle (Baukosten 81 Mio. Euro) ist der Erörterungstermin Mitte 2005 geplant. In Halle (bisher mit 123 Mio. kalkuliert) wird umgeplant für die »Konsenstrasse«, Anfang 2006 soll offengelegt werden. Die große Frage ist, inwieweit in den drei Abschnitten (Einzelbauzeit bis zu vier Jahre) parallel gebaut werden kann. Das hängt vom Planungsstand ab und ob der Bund das Geld (305 Mio. Euro) dann zur Verfügung stellt.

Artikel vom 15.12.2004