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Privatservice kassiert
Geld für das Nichtstun

Maurer zwei Wochen vermittelt: 1 000 Euro vom Staat

Von Uwe Koch und
Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Seit 2003 dürfen auch private Agenturen Arbeitsstellen vermitteln. Ein Dienst, der sich vor allem für Vermittler bezahlt machen kann. Der zynische Beweis: Der Maurer Torsten Symanski geriet jetzt an einen Hannoveraner Service, erhielt eine Stelle für zwei Wochen. Dafür bezahlte die Bielefelder Agentur für Arbeit 1 000 Euro Vermittlungsgebühr!

Torsten Szymanski ist nach einer Lehre und mehreren Jahren als Geselle bei einem hiesigen Unternehmen in der Baubranche seit zwei Jahren arbeitslos, er gilt als »Langzeitarbeitsloser«. Einen Antrag auf Umschulung zum Berufskraftfahrer wies die Agentur energisch ab: Es gibt zu viele Bewerber, zu wenige offene Stellen in der Branche.
Postwendend erhielt der Maurer Anfang November jedoch die Adresse der Firma Schmidt Industrie Montage Service (SIMS) in Hannover. Dort solle er sich um eine Stelle bemühen. Die Agentur spendierte obendrein 43 Euro für eine Hin- und Rückfahrkarte der Bahn. In der niedersächsischen Landeshauptstadt musste sich der 37-Jährige erklären lassen, dass ohne einen »Vermittlungsgutschein« der Agentur für Arbeit kein Job vermittelt werden könne.
In der Bielefelder Agentur reagierte man prompt, sandte dem Maurer die benötigte Unterlage zu: ein Vermittlungsgutschein über 1 000 Euro, einzulösen im Fall einer erfolgreichen Stellenvermittlung.
Am 15. November trat Szymanski dann die Stelle an - in Bielefeld bei einer heimischen Firma. Und SIMS kassierte das »Kopfgeld« von 1 000 Euro.
Ende November kam für Torsten Szymanski schon die Kündigung. Seine entsetzte Reaktion: »Ein Skandal!« Seinen Arbeitslohn hat er bis heute noch nicht erhalten.
Monika Ramm-Schüller, Pressesprecherin der Bielefelder Agentur für Arbeit, bestätigte dem WESTFALEN-BLATT am Freitag den unglaublichen Vorgang. Die Vermittlungsprovisionen schwankten zwischen 1 000 Euro (kurzzeitige Arbeitsverhältnisse) und 2 500 Euro (Dauerjobs für Langzeitarbeitslose) und seien von der vorherigen Dauer der Arbeitslosigkeit abhängig: »Wer einen schwierigen Kunden unterbringt, kriegt mehr.« 2003 seien in Bielefeld 6 571 Scheine ausgegeben und 103 eingelöst worden; 2004 wurden nur noch 1 931 Gutscheine ausgegeben und 149 Mal das Geld von privaten Vermittlern kassiert. Wie vermittelt werde, sei egal, bekräftigte Monika Ramm-Schüller, denn: »Die Gegenrechnung mit einer Vermittlungsprovision ist dann die günstigere Variante als die Leistungszahlung.«
Auch das Risiko eines Missbrauchs sei nicht auszuschließen, das sei indes Ausnahme von der Regel. Letztlich sei das Prinzip vom Gesetzgeber »so gewollt«, dass auch ein Arbeitsverhältnis vermittelt werde, das »nicht von Dauer ist«. Für Torsten Szymanski, der nun »jede Arbeit annehmen würde«, klingt das wie Hohn. Er wird arbeitslos bleiben und obendrein jetzt Hartz IV beantragen müssen . . .

Artikel vom 11.12.2004