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Königliche Hoheiten

Faszination der Monarchie ungebrochen

Da können die Gegner der Royalisten noch so viel lamentieren. Und auch die vielen nicht unbedingt positiven Schlagzeilen von Königs und Co. ändern nichts daran: Die Monarchien dieser Welt üben nach wie vor eine unglaubliche Faszination auf einen Großteil der Menschen aus. Die Einschaltquoten bei den TV-Live-Übertragungen der beiden »Märchenhochzeiten« in Dänemark und Spanien unterstreichen das. Doch Leben am Hof? Dieser Traum wird oft zum Alptraum!


750 Millionen Fernsehzuschauer saßen weltweit vor den Bildschirmen, als am 29. Juli 1981 der britische Thronfolger Prinz Charles und Prinzessin Diana vor den Traualtar traten, um sich das Jawort zu geben. Was aussah wie der Startschuss in eine neue Ära der britischen Monarchie entwickelte sich für die Beteiligten und Royalisten schon bald zur Tragödie. Zwar schien nach außen hin alles in bester Ordnung - mit William und Harry wurden zwei Söhne geboren und das Paar wurde bei allen offiziellen Anlässen begeistert gefeiert. Doch tatsächlich wurde die Verbindung mehr und mehr zur Qual und Farce. Wie sich inzwischen herausstellte und mit im abgelaufenen Jahr aufgetauchten Videos authentisch dokumentiert wird, hatte Prinz Charles eine sehr enge Beziehung zu Camilla Parker-Bowles. Diana indessen erkrankte an Bulimie, versuchte sich gar das Leben zu nehmen und hatte diverse Liebhaber. Schließlich kam es 1996 zur Scheidung und im Anschluss zu einer Reihe peinlicher Enthüllungen. Die britische Monarchie wurde in ihren Grundfesten erschüttert.
Die Art der Trennung und die nachfolgenden Enthüllungen zeigten überdeutlich, welch enormer Druck auf der 1997 bei einem Autounfall in Paris ums Leben gekommenen Diana gelastet haben muss. Höfische Etikette, Protokolle, der weitgehende Verzicht auf ein Privatleben - Druck, mit dem eben nicht jeder fertig wird.
Das kristallisiert sich schon jetzt auch bei der ehemaligen TV-Journalistin Letizia heraus, die im Mai des abgelaufenen Jahres dem spanischen Kronprinzen Felipe das Jawort gab. Die Lockerheit des Paares in den Monaten vor der Trauung musste schon am Tag der Hochzeit den strengen Regeln der Bourbonen weichen. So trat das Paar eher hölzern und steif vor den Traualtar. Statt danach unbeschwert und unbehelligt in die Flitterwochen fahren zu können, mussten Felipe (36) und Letizia Antrittsbesuche überall in Spanien absolvieren. Es war ein volles und nicht nur auf den ersten Blick gnadenloses Pflichtprogramm.
Aber nicht nur das. Vom Tag der Hochzeit an beobachten die Medien und damit das ganze Land jede noch so kleine Veränderung an der 32-Jährigen. Selbst andere Kleidungsstücke sorgen inzwischen für Spekulationen über eine mögliche Schwangerschaft. Das ganze Land wartet auf königlichen Nachwuchs - und setzt damit vor allem Letizia mächtig unter Druck. Die Folgen sind sichtbar. Die Frau des Kronprinzen wirkt angespannt und hat erheblich abgenommen.
Eine andere »Bürgerliche« befindet sich in einer ganz ähnlichen Situation. Doch Prinzessin Mary (32) von Dänemark, die wenige Wochen vor der Hochzeit in Spanien ihrem zu Tränen gerührten Kronprinzen Frederik (36) ebenfalls vor einem Millionen-Publikum an den Bildschirmen das Jawort gab, versucht gemeinsam mit ihrem Ehemann keinen Stress aufkommen zu lassen. So wie schon seit mehr als einem Jahr das lockere und volksnahe norwegische Kronprinzenpaar Haakon und Mette-Marit. Schon die Hochzeitsreise verbrachten Mary und Frederik (wie Haakon und Mette-Marit) unbehelligt an einen geheimen Ort. Und auch die Nachwuchsfrage nimmt die aus Australien stammende Mary eher gelassen.
Dass selbst bei den besten Vorsätzen aller Seiten nicht jeder eine solche Gelassenheit an den Tag legen kann, zeigt das Beispiel der japanischen Kronprinzessin Masako, die seit Monaten unter Depressionen und Angstzuständen leidet. Die 40-Jährige ist seit 1993 mit Kronprinz Naruhito (44) verheiratet und war vor der Hochzeit eine lebenslustige, selbstständige Frau. Der einstigen Elite-Diplomatin hatten Experten sogar Reformen am strengen Ritual des Kaiserhauses zugetraut. Stattdessen ist Masako, die vor drei Jahren Prinzessin Aiko zur Welt brachte, auch unter dem massiven Druck zerbrochen, einem männlichen Thronfolger das Leben zu schenken. Ein erster Hoffnungsschimmer auf Besserung waren die Äußerung von Naruhito, der seine Frau in Schutz nahm und die Erschöpfung auf »den jahrelangen Versuch, sich der Kaiserfamilie anzupassen« zurückführte. Doch die Kritik ihres Mannes an der eigenen Familie helfen Masako kaum. Vielleicht werden nachfolgenden Generationen davon profitieren.
Auf die Jugend setzt man auch in Großbritannien. Hier wächst mit dem 22-jährigen Prinz William, hinter seinem Vater Prinz Charles Nummer zwei in der Thronfolge, ein junger Mann heran, der mit seiner Ausstrahlung, seiner Volksnähe und möglichen Reformen die Diskussionen verstummen lassen könnte, ob die Monarchie noch zeitgemäß ist. William scheint das Auseinanderbrechen der Ehe seiner Eltern, das öffentliche Waschen »schmutziger Wäsche« und auch die immer wieder neu auftauchenden Geschichten um seine Mutter Diana besser verkraften zu können als sein Bruder Harry (20). Der schlägt bekanntlich immer wieder mal über die Stränge.
Erst vor wenigen Wochen aber verteidigte William seinen kleinen Bruder nachdrücklich und machte im gleichen Atemzug klar, wie sehr er seinen Vater bewundere. Auch die Bemerkung, dass er sich für öffentliche Pflichten noch zu jung fühle, unterstreichen, dass der 22-Jährige auf einem guten Weg ist. Prinz William hat alle Voraussetzungen, die menschlichen Züge seiner Mutter mit den höfischen Gepflogenheiten in Einklang zu bringen und vielleicht irgendwann einmal als »König der Herzen« in die Geschichtsbücher einzugehen.

Ein Beitrag von
Wolfgang Schäffer

Artikel vom 31.12.2004