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Jeder vierte Schüler geht zur Nachhilfe

6486 Sitzenbleiber in OWL

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Nachhilfe hat Hochkonjunktur. Weil jeder vierte Schüler regelmäßig außerhalb der Klassenzimmer unterrichtet wird, hat sich ein florierender Bildungsmarkt gebildet. Allein der Nachhilfeanbieter »Studienkreis« (Bochum) steigerte die Zahl seiner Filialen seit 1974 von einer auf über 1000.

Eltern gäben in Deutschland etwa eine Milliarde Euro für Nachhilfe aus, sagte Studienkreis-Sprecher Thomas Momotow gestern dieser Zeitung. Das Unternehmen erwirtschafte einen Umsatz von »75 bis 80 Millionen Euro«. In Nordrhein-Westfalen wurden im laufenden Jahr 18 000 Kinder gefördert - am häufigsten in den Fächern Mathematik, Englisch, Deutsch und Französisch. Der Studienkreis eröffnete 16 neue Schulen im größten Bundesland.
Das Konkurrenzunternehmen »Schülerhilfe« (Gelsenkirchen) baute den Bestand in Deutschland und Österreich auf 950 Standorte aus. Dort wurden 60 000 Schüler im Laufe des Jahres unterrichtet. »Gegenüber 2003 bedeutet das eine Steigerung von zehn Prozent«, berichtete Sprecherin Petra Frankenberg. Das schlechte Abschneiden beim Leistungstest Pisa und die Sorge um einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz hätten Eltern aufgeschreckt.
Auch das »Lehrinstitut für Orthographie und Schreibtechnik« (LOS) in Saarbrücken wächst weiter. Im Frühjahr 2005 werden neue Standorte in Gütersloh und Paderborn eröffnet. An mehr als 200 Stellen fördert LOS 20 000 Kinder und Jugendliche im Lesen und Schreiben. Etwa nur ein Viertel der Nachhilfe spielt sich in den genannten Einrichtungen ab. »Daneben gibt es einen riesigen grauen Markt, in dem Freunde und Nachbarn den Schülern unter die Arme greifen«, sagte Thomas Momotow vom »Studienkreis«. Er warnte davor, den Zusammenhang zwischen Pisa-Studie und Nachhilfe-Boom überzubewerten: »Eltern und Schüler hatten schon vorher Druck - Pisa hat das Dilemma des Bildungswesens dokumentiert.«
In Ostwestfalen-Lippe mussten 6486 Jugendliche im vergangenen Schuljahr die Klasse wiederholen. Mit einer Sitzenbleiberquote von 2,6 Prozent liegt der Regierungsbezirk Detmold unter dem Bundesdurchschnitt von 2,9 Prozent. Um die Zahl versagender Schüler zu vermindern, steuert das Landesschulministerium mit einem Erlass gegen, der erstmals im Februar wirksam wurde. Schüler, deren Versetzung gefährdet sei, erhielten zum Halbjahreszeugnis Lern- und Förderempfehlungen von der Schule, sagte der Leitende Regierungsschuldirektor Ingo Klemisch in Detmold dieser Zeitung. Die Empfehlungen könnten konkret in zusätzlichem Förderunterricht und dem Korrigieren von weiteren Übungsaufgaben münden. Außerdem denke Ministerin Ute Schäfer (SPD) darüber nach, die Nachprüfungen abzuschaffen und diejenigen auf Probe zu versetzen, die »nur knapp« an einer Note gescheitert sind. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 10.12.2004