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Der Rheingold glänzt im Spielzeugland

Eisenbahn, Autorennbahn und Plüschteddy: Zu Weihnachten haben Klassiker Konjunktur

Von Michael Diekmann und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Wunschzettel werden längst nicht nur von Kindern geschrieben. Insbesondere zu Weihnachten erfüllen sich auch Erwachsene ihre Spielzeugwünsche im Bereich von Modellbahnen und Mikroprozessoren. Im Fachgeschäft von Wolfgang Brauns (48) herrscht Hochbetrieb in allen Abteilungen. Brauns betreibt Bielefelds einzigen Vollsortimenter im Spielzeugland.

Während im Erdgeschoss Teddybären mit großen Knopfaugen die Kinder verzaubern und Großeltern im Weihnachtsstress für ihre Kleinen erste Systemspielzeuge für das Vorschulalter anschauen, geht es im ersten Obergeschoss des Braunschen Spielzeuglandes um Spitzentechnologie im Millimetermaßstab. Ganz behutsam holt Holger Pohlmann eine mächtige blaue Blechschachtel aus dem Regal und öffnet das elegante Transportgerät, das auch Omas selbst gebackenen Vanillekeksen alle Ehre machen würde. »Märklin« - die vergoldete Schrift auf dem Deckel verrät indes Details über den Inhalt: Der Rheingold-Express inklusive fünf Salonwagen für die heimische Landschaft oder Sammelvitrine. Kostenpunkt 599 Euro - echte HO-Sammler bringt der Preis nicht aus der Ruhe. Bislang fahren, so Pohlmann, mindestens schon vier der blaugoldenen Expresszüge in Sammlerhaushalten.
Wer auch nur als Junior eine Prise Modellbahnluft geschnuppert hat, steht bei Brauns in der Feilenstraße auf verlorenem Posten. Die Vielzahl der Vitrinen mit Lokomotiven und Themenzügen von Baustelle bis Industrieverlagerung faszinieren jeden Kunden. An den Ladentischen werden Fachgespräche geführt, geht es um Kurvenradien, Anfahrgeschwindigkeiten und maßstabsgetreue Nachbildungen. Das Zauberwort Digital gehört beim Einstieg fast zum guten Ton.
Kinder interessieren sich für Eisenbahn, berichtet Wolfgang Brauns: »Viele Jugendliche fangen an. Aber viele Eltern stellen auch nicht den Platz bereit, damit eine Anlage entstehen kann.« Brauns weiß, wovon er spricht. Der Bielefelder Jahrgang 1956 kennt die Vorweihnachts-Spielzeugzeiten in der Stadt nur zu gut. Heute ist sein Geschäft, inzwischen im 23. Jahr, das einzig verbliebene mit zehn Mitarbeitern und einem Vollsortiment. Brauns: »Im Spielzeuggeschäft ist kein Platz für Träumereien, nur für harte betriebswirtschaftliche Regeln, die es einzuhalten gilt.« In Zeiten von bröckelnden Margen, Preisverfall und Grüner Wiese läuft die Branche Gefahr, ähnlich wie im europäischen Umland zum saisongeprägten Aktionsartikel zu werden.
Geändert hat sich im Fachgeschäft der Bielefelder Verbundgruppe »Spiel & Spass« auch die Kundenstruktur. Während einerseits mehr Kunden im Schnitt geringere Umsätze tätigen, erfüllen sich andererseits Väter mit Söhnen oder ältere Kunden mit großer Sammelleidenschaft ihre Wünsche in Sachen Modellbahn und Autobahn. Unter vielen Tannenbäumen, erzählt Brauns augenzwinkernd, wird an diesem Heiligabend die Paris-Dakar-Rallye auf der Carrera-Bahn nachgestellt. In der Vollgasbranche am Regler brummt das Geschäft, das bei den reinen Sammlern von Porzellanpuppen oder Miniaturautos deutlich nachgelassen hat.

Artikel vom 08.12.2004