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Knusprige Bauernknubbel
aus der alten Backstube

Bäckerinnung macht Brot wie in alten Zeiten

Von Matthias Meyer zur Heyde und Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). Erstmals seit dem Brand, der das Bauernhaus-Museum zerstörte, hat die Bäckerinnung dort wieder gebacken. Die Profis wurden mit allen Widrigkeiten fertig: Butterkuchen und Bauernknubbel aus dem neuen Steinofen gingen weg wie warme Semmeln.

Teig muss gehen, klar. Damit er nun weder davonlief, noch in sich zusammenfiel, zog Bernd Böndel, aus dessen Betrieb der Teig für die Bauernknubbel (Roggenmischbrot) stammte, alle Register. Denn erstens wollten die 60 Knubbel hoch auf den Berg in die Backstube gefahren werden, zweitens war die Stube winterkalt, drittens der altertümliche Ofen kein High-Tech-Gerät, sondern hinten heiß und vorne nich' so.
»Nach Augenmaß und Handgewicht« (Böndel) waren 750-Gramm-Laibe geformt worden; der Sauerteig darin erhielt volle 24 Stunden Zeit zur Reife, die Teigmischung ruhte immerhin drei Stunden. Nun den Schießer geschnappt, (der Schießer ist die Schaufel mit dem langen Stiel, mit der die Bäcker immer im Ofen herumraken)und rein mit den ersten von 60 Broten. Sieht einfach aus, aber: Die Backkammer hatte einen ganzen Tag vorher angeheizt werden müssen. »Dazu wurden Eichenscheite direkt im Ofen angezündet und dann die Asche mit der ÝBäckerfahneÜ, einem nassen Jutesack, ausgewischt«, erläutert Böndel, dem die Schweißperlen auf der Stirn stehen, während Heinz Terholsen, Leiter der Bäckerfachschule, aufmerksam zuschaut.
Die Bäckermeister Karsten Lamm und Marcus Wulfhorst machten derweil den Laiben Beine, die auf ihren kalten Blechen nicht so recht gehen wollten. »Wir suchen ein bisschen die Herausforderung«, erklärt Lamm, der wie die Kollegen natürlich hohe Maßstäbe an die Qualität der Backware legt. Beim Butterkuchen hatte das durchaus funktioniert: »Gut, er ist ein wenig flach geraten, und die Mandeln haben wir weggelassen, weil sie sonst verbrannt wären, aber . . .«
Den Satz führten gestern die Besucher des Bauernhaus-Museums zu Ende: Der Kuchen, nur drei Minuten im 400 Grad heißen Ofen, war weggeputzt, bevor man »guten Appetit!« sagen konnte.
»Die Mischung aus Milch- und Essigsäure macht's«, erläutert Kreishandwerksmeister Hans-Günter Lamm, der als Mann vom Fach natürlich nicht nur Rezepturen, sondern auch chemische Vorgänge im Brotteig genau kennt. Zuviel Essigsäure: saurer Teig, zuviel Milchsäure: kaum Geschmack. »Bei idealen Temperaturen, so um die 280 bis 300 Grad, bilden sich in einem Drei-Stufen-Sauerteig in der letzten Stufe dann die Hefen.«
So soll es sein, denn Wasser und Mehl alleine schmecken nach nichts. Dass die als Vertreter ihrer Innung am Ofen zügig arbeitenden Bielefelder Bäcker alles richtig gemacht haben, beweist das Urteil der Testesser: traumhafte Kruste, lockeres, herzhaftes Innenleben.
Und was kommt drauf? »Nur Butter«, kommt es von Wulfhorst wie aus der Pistole geschossen. »Vielleicht Schmalz.« Unbedingt aber was Herzhaftes.

Artikel vom 07.12.2004