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Profilierung von Stadt und der Universität

Wissenschaftspreis verliehen


Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Niklas Luhmann galt als Provokateur. Als Unruhestifter. Als Erreger. Als ein Professor, der seine Studenten zum Denken und zur Auseinandersetzung mit seinen Thesen herausforderte. Da er zugleich als einer der größten Soziologen des 20. Jahrhunderts gilt, zudem erster Professor der heimischen Universität war, ist der Bielefelder Wissenschaftspreis nach ihm benannt. Am Samstag wurde er erstmals vergeben: an Prof. Dr. Renate Mayntz und Prof. Dr. Fritz W. Scharpf - zwei Forscher, die sich stets an Luhmann gerieben haben.
Die Idee zu einem Bielefelder Wissenschaftspreis hatten Uni-Rektor Prof. Dr. Dieter Timmermann und Oberbürgermeister Eberhard David. Auf offene Ohren stießen sie damit bei der Sparkassenstiftung: Sie lobte das Preisgeld in Höhe von 25 000 Euro aus. Eine besondere Form der Eigenkapitalverzinsung, so Hans-Georg Vogt als Vorsitzender des Vorstandes der Sparkasse Bielefeld sowie ihrer Stiftung, solle der Stadt damit zurückgegeben werden, um sie als attraktiven und wissenschaftlich profilierten Standort weiterzuentwickeln.
»You put Bielefeld on the map«, zitierte David ein geflügeltes Wort unter US-amerikanischen Historikern und Soziologen, wenn sie Bielefelder Kollegen bei Symposien trafen. In Wissenschaftskreisen wusste man sehr rasch, wo die bis dahin eher unauffällige Stadt lag. Mit dazu beigetragen hat Niklas Luhmann, der bereits 1968 als allererster Professor an die Hochschule, die erst 1969 ihren Betrieb aufnahm, berufen wurde. Trotz zahlreicher Rufe anderer Universitäten im In- und Ausland blieb er der Universität Bielefeld bis 1992, dem Jahr seiner Emeritierung, treu und forschte bis zu seinem Tod 1998 hier weiter.
Luhmann, würdigte Timmermann, schuf ein »geradezu beängstigend umfangreiches Werk und schrieb auf höchstem Theorieniveau genauso über Liebe wie über Massenmedien, Wirtschaft oder Religion.« Er baute eine soziologische Systemtheorie aus, die untrennbar mit seinem Namen verbunden ist - und war, erinnerte sich Timmermann, im persönlichen Umgang »von geradezu bestürzender Bescheidenheit«.
Luhmanns Systemtheorie betont die Eigendynamik und 'Selbstreferenz' sozialer Systeme und die daraus folgenden Steuerungsschwierigkeiten. Auf dieser Basis und in teilweise deutlicher intellektueller Auseinandersetzung mit dem Luhmannschen Steuerungspessimismus forschten die beiden Preisträger im Bereich der empirischen Makrosoziologie. Gemeinsam leiteten Scharpf (Jahrgang 1935) und Mayntz (1927 geboren, sie konnte wegen eines Forschungsaufenthaltes in Harvard/USA nicht anwesend sein) das Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung und suchten nach Formen der Problemlösung »zwischen Staat und Markt«. Die eloquente Laudatio auf die beiden höchst unterschiedlichen Wissenschaftler, die in produktiver Symbiose arbeiteten, hielt Prof. Dr. Klaus von Beyme, Heidelberg, den Festvortrag über die Möglichkeiten der politischen Steuerung in heutiger Zeit Preisträger Scharpf.
Der Bielefelder Wissenschaftspreis im Gedenken an Niklas Luhmann wird künftig alle zwei Jahre verliehen. Er wird, hofft Timmermann, die Stadt auf besondere Weise öffentlich sichtbar machen und soll auch die Verbindungen zwischen Universität, Kommune und regionaler Wirtschaft weiter festigen. Denn eine gute Universität sei in der modernen Wissensgesellschaft »global player« und »local hero« zugleich.

Artikel vom 06.12.2004