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Freigang aus der JVA Senne gestrichen: Der verurteilte Mörder Joachim J. sitzt nach 44-fachem Kindesmissbrauch wieder in der Zelle.

Kripofahnder ermitteln
insgesamt drei Sextäter

Von 44 Missbrauchsfällen wurden nur zwölf angezeigt

Von Jens Heinze
und Carsten Borgmeier (Fotos)
Bielefeld-Senne (WB). Was Psychologen bei sechs Gutachten nicht zu verhindern wussten, das hat eine zwölfköpfige Ermittlungskommission der Bielefelder Polizei rückgängig gemacht: Der zu lebenslanger Haft verurteilte Mörder Joachim J. (44) in der Justizvollzugsanstalt Senne ist nach 44-fachem Kindesmissbrauch nicht mehr länger Freigänger.

Der Mann, der im Juni 1987 im Kölner Unicenter den Kaufmann Karl-Heinz R. (46) mit einem Holzaschenbecher den Schädel zertrümmert und dann sein Opfer, das erst vier Monate später gefunden worden war, beraubt hatte, sitzt wieder im geschlossenen Vollzug.
Damit steht Joachim J. wieder dort, wo er sich bereits vor 16 Jahren nach dem »Lebenslang« für den Mord, verhängt im August 1988 vom Landgericht Köln, befunden hatte. Von Freigängen für die Vorbereitung aus der geplanten Haftentlassung ist keine Rede mehr. Frank Blumenkamp vom Landesjustiz-Vollzugsamt Nordrhein-Westfalen: »Alle Haftlockerungen sind widerrufen.«
Sechsmal ist Joachim J. von der Kripo vernommen worden, seine Aussagen füllen 160 Seiten. Hätte der Mann kein umfassendes Geständnis abgelegt, wäre ein Großteil der Taten niemals bekannt geworden: Von den insgesamt 44 Übergriffen, so der Leiter der Ermittlungskommission, Kriminalkommissar Thoams Reinartz, waren lediglich zwölf bei der Polizei angezeigt worden.
Harte kriminalistische Kleinarbeit - bei zahllosen Streifengängen durch die betroffenen Stadtteile Sennestadt, Senne, Brackwede, Gadderbaum und Stieghorst waren 25 potentielle Verdächtige identifiziert und fotografiert worden - hat der Kripo zu einem gleich dreifachen Fahndungserfolg verholfen. Es wurde die Missbrauchsserie des Strafgefangenen Joachim J. geklärt: Opfer, denen der Täter Geldbeträge zwischem einem und 50 Euro geboten hatte, damit er sich an ihnen vergehen konnte, erkannten ihn auf Polizeibildern wieder. Zudem waren im Bielefelder Süden zwei weitere, unabhängig vom Ex-Freigänger agierende Sextäter von den Fahndern ermittelt worden.
So wurde während der sechs Wochen langen intensiven Suche der Polizei, die nach Bekanntwerden der Übergriffe am 21. Oktober zunächst nur nach einem Mann gefahndet hatte, quasi als »Beigabe« ein 33-jähriger Arbeitsloser aus einem Männerwohnheim in Senne gefasst. Er hatte in den Herbstferien am Vormittag des 26. Oktober in einem Sennestädter Waldstück eine Zwölfjährige überfallen. Den aufmerksamen Spielkameraden hat es das Mädchen zu verdanken, dass der als Sexualstraftäter polizeibekannte Mann sein an den Oberarmen gepacktes Opfer wieder losließ und flüchtete.
Doch in Untersuchungs-haft sitzt der auch per Polizeibild identifizierte 33-Jährige nicht, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Bielefeld, Harald Krahmüller, am Freitag bestätigte. Weil nach Justizmeinung keine Haftgründe vorgelegen haben, soll der Mann bis zur anstehenden Gerichtsverhandlung therapiert werden.
Beim dritten gestellten Täter handelt es sich um einen 23-Jährigen. Er hatte sich am Fenster seiner Wohnung Windflöte in unsittlicher Weise gezeigt. Aufmerksame Fußgänger sahen das und alarmierten sofort die Polizei.

Artikel vom 04.12.2004