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Einladung zum Klangbad

Obertonsänger Lutz Czech faszinierte im Konzert

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Der starke Widerhall der Neustädter Marienkirche kann so manchem Interpreten zum Fallstrick werden. Umgekehrt verhält es sich, wenn Lutz Czech zum Konzert bittet. Erst durch die enorme Resonanz des Kirchenschiffs werden die Teilschwingungen seines Obertongesangs gut hörbar.

»Konzerte mit einem der wenigen professionellen Obertonsängern Europas berühren die Seele«, verspricht ein Werbeblatt , das der Zuhörer mit auf den Weg in die Kirchenbank bekommt. Seelisch berührt oder nicht, dort sitzt er dann wie angekettet, weil er meint, einer akustischen Fata Morgana zu erliegen. Was der Münsteraner barfüßig im Flackerschein unzähliger Teelichter vollführt, hat mit Spuk indes nichts gemein, sondern beruht auf physikalischer Gesetzmäßigkeit, die besagt, dass jeder Ton nicht nur als ganzes, sondern auch in Teiltönen schwingt. Das ist ein »offenes Geheimnis«, welches Lutz Czech in bezwingender Art zu lüften versteht.
In einem ersten improvisatorisch angelegten Bogen begleitet er sich dabei auf einer indischen Tambura, einer Langhalslaute mit bauchigem Corpus, die seinen implizierten Gesang mit einem versponnenen Bordun unterlegt. Sanftmütig und meditativ, erinnert das an indischen Mönchsgesang, bis plötzlich ein zweiter Ton erscheint. Er liegt noch ein wenig unruhig säuselnd und pfeifend im Raum, gewinnt aber nach und nach schärfere Konturen.
Lutz Czech gelingt es, die Obertöne zu kontrollieren, sie nicht nur zum Tanzen, Fliegen und zum Hüpfen zu bringen, sondern ihnen auch immer neue Farben zu entlocken. Das Erlebnis ist faszinierend und verlockend, es schmeichelt und sensibilisiert das Ohr.
Der magische Klangzauber kumuliert, wenn Czech einen chinesischen Gong zum sprechen bringt. Unterschiedlich angeklopft, angeschlagen und bestrichen, erzeugt Czech ein dichtes, dunkel dröhnendes Obertonspektrum, das den ganzen Kirchenraum mit Klang erfüllte. Der Einladung zum Klangbad -Êwer konnte sich der schon entziehen?

Artikel vom 06.12.2004