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Paderborner rettete
den kleinen Justus

Knochenmark-Spender lernte Empfänger kennen

Tübingen/Paderborn (WB). Vor sechs Jahren organisierten Erzieherinnen des städtischen Kindergartens in Paderborn-Sande gemeinsam mit Eltern und der DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei gemeinnützige Gesellschaft mbH eine Typisierungsaktion, um an Leukämie erkrankten Kindern zu helfen. Die Resonanz war groß -Êund führte jetzt zu einer nicht alltäglichen Begegnung.

1721 Menschen ließen sich damals als potenzielle Stammzellspender in die Datei aufnehmen. Elf davon konnten inzwischen bereits einem Patienten durch eine Stammzellspende die Chance auf Überleben geben.
Anstoß zu der Typisierungsaktion am 27. September 1998 gab die Leukämieerkrankung der kleinen Franziska aus Paderborn, die damals in den städtischen Kindergarten in Sande ging. Franziska konnte allein mit Chemotherapie erfolgreich behandelt werden, eine Transplantation gesunder Stammzellen war nicht erforderlich. Doch aufgerüttelt durch das Schicksal des Mädchens beschlossen die Erzieherinnen des Kindergartens und Eltern anderer Kinder, aktiv zu werden, um Leukämiepatienten zu helfen. Gemeinsam mit der DKMS organisierten sie die Typisierungsaktion.
Einer der Menschen, die an der Aktion teilnahmen, war Markus Heggen. Der gebürtige Paderborner lebt heute in Berlin und studiert Politikwissenschaften. Vor zwei Jahren wurde Markus Heggen als »genetischer Zwilling« für einen Patienten ausfindig gemacht. Am 11. Oktober 2002 spendete er Stammzellen für einen drei Monate alten Jungen aus Radebeul. Der kleine Justus litt nicht an Leukämie sondern am Wiskott-Aldrich-Syndrom, einer seltenen Erkrankung des blutbildenden Systems.
Bei dieser Erkrankung ist die Übertragung gesunder Stammzellen - wie auch für viele Leukämiepatienten - die einzige Überlebenschance. »Als ich erfuhr, dass ich als Spender für einen Patienten in Frage komme, war das einer der denkbar ungünstigsten Zeitpunkte für mich«, erinnerte sich Markus Heggen. »Ich war gerade dabei, meinen Umzug nach Berlin zu organisieren, musste dort eine Wohnung suchen, mich an der Uni einschreiben.« Dennoch habe er keinen Moment gezögert. Fünf Tage lang spritzte ihm seine Hausärztin einen körpereigenen hormonähnlichen Stoff unter die Haut. Dieses Medikament stimuliert die Produktion der Stammzellen, die dann über ein spezielles Verfahren aus dem Blut gesammelt werden. Die Spende selbst dauert vier bis fünf Stunden und wird ambulant durchgeführt. »Ich hatte an zwei bis drei Tagen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, aber mit Paracetamol war das erträglich. Es war außerdem ein großes Glücksgefühl, etwas weiter geben zu können«, sagte der DKMS-Spender. Noch größer war das Glücksgefühl für Markus Heggen vor wenigen Tagen. Da lernte er den heute zweieinhalbjährigen Justus von Hodenberg und dessen Eltern kennen.
Zwei Jahre lang müssen Spender und Empfänger anonym bleiben, doch nach Ablauf dieser Zeit dürfen sie sich kennen lernen - wenn beide das wünschen. »Es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl, den kleinen Jungen zu sehen und mit ihm zu spielen«, freut sich Heggen. Vorher jedoch sei er sehr aufgeregt gewesen, denn »das war ja sozusagen ein blind date, und ich wusste natürlich nicht, wie es wird.« Auch die Eltern von Justus meinten: »Wir waren sehr neugierig, wollten den Spender vom ersten Tag an kennen lernen. Wir wollten wissen, wer unserem Sohn das Leben gerettet hat.« Nach dem Treffen in Berlin waren sich alle einig: Es war ein schönes Erlebnis - und sie werden sich sicherlich wieder sehen.
In Deutschland reißt alle 45 Minuten die Diagnose »Leukämie« einen Menschen aus seinem Alltag und für jeden Vierten von ihnen kann kein passender Spender gefunden werden. Deshalb arbeitet die DKMS mit aller Kraft am weiteren Ausbau der Datei. Als weltgrößte Spenderdatei koordiniert die DKMS heute vier bis fünf Stammzell- oder Knochenmarkspenden pro Tag. In die Datei aufnehmen lassen kann sich jeder, der zwischen 18 und 55 Jahren alt und gesund ist. Auch jeder Euro zählt. Denn jede Typisierung kostet die DKMS 50 Euro. Viele Spender tragen ihre Typisierungskosten selber, doch nicht allen ist dies möglich. Daher benötigt die DKMS Geldspenden, um die Aufnahme jedes neuen Spenders zu ermöglichen. Spendenkonto: 160 030 30, Sparkasse Paderborn
BLZ 472 501 01.
www.dkms.de

Artikel vom 04.12.2004