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Bielefeld sei in den diversen Rankings, die unter allen möglichen Blickwinkeln aufgestellt würden, stets gut positioniert, sagt Andreas Reiter. Allerdings: Es gebe nichts, für das Bielefeld absolut stehe. Reiter: »Denke ich an Köln, denke ich an den Dom, bei München an das Oktoberfest, bei Hamburg an den Hafen usw. - für Bielefeld gibt es nichts Vergleichbares.«
Der Trendforscher aus Wien empfindet das aber nicht unbedingt als Makel, sondern, im Gegenteil, als »durchaus angenehm«. Bielefeld sei, und das meint Reiter nicht als Kritik, absoluter Durchschnitt. Er betont: »Durchschnitt - das ist in diesem Fall aber nicht spießig oder langweilig, sondern Lebensqualität ohne besondere Aufregungen.« Dauernde Events können, so betont er, »richtig anstrengend sein«.
In der Bielefelder Stadthalle sprach er über die »inszenierte Stadt«, darüber, dass die Zentren immer mehr zu Event- und Lifestyle-Bühnen würden. Reiter: »Stadtzentren sind Transit-Räume für Konsumenten und Touristen.«
Städte würden zu Marken, die immer stärke untereinander konkurrieren, und zwar, so Reiter, über den »gebauten Lifestyle«. »Das können futuristische Festival-Tempel sein oder revitalisierte Industriedenkmäler, das kann eine multifunktionale Fußballarena sein oder ein kühner Brückenbogen.«
Reiter hält viel von Inszenierungen mit einem ausgeklügelten Lichtdesign. Die Illumination zentraler urbaner Symbole bündele Emotionen der Betrachter, bringe Menschen zum Staunen und Träumen. Beides wurde in Bielefeld bereits erprobt: bei Inszenierungen der Fachhochschule mit der Sparrenburg und dem Rathaus.
Auch städtebauliche Preziosen brächten strategische Neupositionierungen von Städten. Andreas Reiter nennt als Beispiel Bilbao mit dem Guggenheim-Museum von Frank O. Gehry, das pro Jahr eine Million Besucher anzieht.
Seine These: Europäische Städte müssen als Bühnenlandschaft immer wieder neu inszeniert und provokant bespielt werden - oder ihr Lebenszyklus geht zu Ende.
Menschen wollten heute »weniger kaufen und dafür mehr erleben«. An die Stelle des Nutzwertes von Produkten trete immer stärker deren Erlebniswert. Reiter: »Je mehr die moderne Welt technologisiert und entzaubert wird, desto wichtiger wird ihre emotionale Neuaufladung - mittels Design und ästhetischer Überraschungen.« Inzwischen würden Hotel-Lounges zu Museen, Bahnhöfe zu Urban Entertainment Centern mit Gleisanschluss, Fußballstadien zu multifunktionalen Erlebniswelten. Andreas Reiter zitiert den Gründer der »Starbucks«-Kette, Howard Schulz, der gesagt habe: »Ich verkaufe keinen Kaffee, sondern fünfzehn Minuten Pause.« In der Freizeitindustrie gebe es nämlich nur eine Todsünde: die Langeweile.
Für den Trendforscher bedeutet die Festivalisierung des öffentlichen Raumes vor allem ein »Wir-Gefühl«, ein »Wohnzimmer im Freien« für die Bürger einer Stadt, zum anderen Image-Verstärker und Tourismus-Magnet.
Was ihm zu Bielefeld spontan einfällt? Andreas Reiter: »Arminia Bielefeld, die Universität, das Meinungsforschungsinstitut Emnid und Pudding.«

Artikel vom 04.12.2004