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Steinbrück drückte Roboterhand

Universität: Ministerpräsident war beeindruckt - Unterstützung für MPI


Bielefeld (sas). Welche intellektuelle Leistung er vollbrachte, als er zum Spekulatius griff und daran knabberte, war Ministerpräsident Peer Steinbrück zunächst sicher nicht klar. Welch komplexen Vorgänge dabei aber in seinem Gehirn abliefen, wie Augen und Hand koordiniert wurden, erfuhr der Landesvater beim Besuch der Universität: In der Technischen Fakultät stellte ihm Prof. Dr. Helge Ritter die von ihm entwickelte Roboterhand vor.
Ihre fünf Finger werden von 36 pneumatischen Muskeln bewegt, 184 Kraftsensoren machen sie einigermaßen sensibel. Irgendwann einmal, so die Vision von Ritter, werde diese Hand Teil eines Roboters sein, der die Menschen besonders in einer alternden Gesellschaft bei alltäglichen Verrichtungen unterstützt, der Türklinken drücken, Kaffeetassen anreichen oder Schranktüren öffnen kann.
Ritter vertritt das Forschungsgebiet »Interaktive Intelligente Systeme« - der Bereich, in dem die Universität Bielefeld ein Max-Planck-Institut einwerben möchte (wir berichteten). »Wir sind in diesem Bereich der intelligenten Systeme national führend und international sichtbar«, sagt Ritter selbstbewusst. Hinzu kommt, dass die Hochschule nicht nur bereits über ein geeignetes Grundstück verfügt, sondern auch auf die ausgeprägte Kultur der Interdisziplinarität verweisen kann. Steinbrück jedenfalls war beeindruckt - auch über die vorausschauende Personalplanung und Berufungspolitik - und versprach, sich für Bielefeld einzusetzen. Damit erhofft er sich auch eine leichte Korrektur der süd-lastigen Vergabepraxis der Max-Planck-Gesellschaft, die von Bund und Ländern finanziert wird.
Uni-Rektor Prof. Dr. Dieter Timmermann verspricht sich von einem Max-Planck-Institut ebenso wie Prorektor Prof. Dr. Gerhard Sagerer Sog-Effekte und Vorteile im Wettbewerb um »Exzellenz-Cluster«: Denn wo einmal gute Forschungsstrukturen geschaffen sind, wo es Kontakte zur Industrie gibt, wird es weitere Spitzenforscher hinziehen. Das kommende Jahr werde mithin, so Ritter, für die Weichenstellung der Hochschule ein wichtiges Jahr.
Gefragt ist Steinbrück aber auch als Mittler zwischen Schulministerin und Hochschule: Das Ministerium, so die Kritik Timmermanns, versuche durch Vorgaben in die Universität hineinzuregieren. Ute Schäfer beharre auf alten Prüfungsmodalitäten, obgleich die Lehrerausbildung in Bielefeld bereits auf die aufeinander folgenden Bachelor- und Master-Studiengänge umgestellt sei. Timmermann sieht dadurch die Strukturreform gefährdet.
Konfrontiert wurde der Ministerpräsident auch mit dem, was AStAVorsitzender Ingo Bowitz »Semiramis« nannte: Seminarraum-Misere. Ein Grund für die in einigen Fächern drangvolle Enge in der Hochschule, erklärte Timmermann das Phänomen, sei das veränderte Studierverhalten: »Die neuen Strukturen führen zu einer hohen Präsenz - und es bröckelt kaum.« Das sei eine neue Erfahrung, die Überfüllung werde nun sichtbar. Eine Alternative zur Strukturreform sah Steinbrück nicht; ebenso, wie er Studiengebühren für Langzeit- und Seniorenstudenten ausdrücklich befürwortete und zusätzliche »Bonusregelungen« ablehnte.

Artikel vom 03.12.2004