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Gesamtschulen fehlt Spitze

Jede zweite Oberstufe in OWL hat dramatisch wenig Abiturienten

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Die Gesamtschulen im Lande leiden unter einem dramatischen Abiturientenmangel. Die erforderliche Mindeststärke von 42 Schülern für funktionierende Oberstufenjahrgänge wird von mehr als der Hälfte aller 187 Gesamtschulen in NRW unterschritten.

30 Prozent der Abiturjahrgänge verfügen nach Darstellung der Landesregierung über weniger als 30 Schüler. Nur 36 Gesamtschulen in NRW kommen mit mehr als 50 Schülern in Reichweite der 614 Gymnasien, die durchschnittlich 70 bis 80 Abiturienten pro Jahr haben. Nur fünf Prozent liegen hier unter der kritischen Schwelle.
»Es ist eine Vergeudung von knappen Finanzmitteln, wenn Gesamtschulen trotz besserer Ausstattung eine nur geringe Ausbildungsleistung erbringen«, kommentierte Ralf Witzel die Antworten auf eine Anfrage der FDP-Landtagsfraktion an das Schulministerium. Jede Mini-Oberstufe verfüge zum Beispiel über den gleichen, gut bezahlten Oberstufenkoordinator wie ein Gymnasium mit mehreren hundert Schülern in den Klassen 11 bis 13.
Interessant wäre auch zu erfahren, sagte Witzel dem WESTFALEN-BLATT, wie viel »Eigengewächse« aus den meist sechs Eingangsklassen nach neun Jahren das Vollabitur ablegten. Die Landesregierung weiß nicht, welchem Anteil Schulwechsler nach Klasse zehn an den absoluten Absolventenzahlen de facto haben.
Abbrecherquoten werden in der amtlichen Statistik nicht erfasst. Allein die Studie des Max-Planck-Institutes »Bildungsverläufe und psychosoziale Entwicklung im Jugendalter« gibt Auskunft über Leistungsunterschiede:- Unter gleich begabten 15-Jährigen liegt der Wissensvorsprung von Realschülern in Mathematik bei etwa zwei Jahren, der von Gymnasiasten sogar bei drei Jahren vor den Kenntnissen von Gesamtschülern.- Das durchschnittliche Niveau von Leistungskursen in der Oberstufe von Gesamtschulen liegt unter dem von Grundkursen in Gymnasien.- Die Fördereffekte der Gesamtschule entsprechen denen der Hauptschule.
Insgesamt besuchten im Schuljahr 2003/2004 etwa 225 000 Schülerinnen und Schüler die 187 Gesamtschulen in NRW. Der Zuwachs in der Oberstufe beträgt derzeit überdurchschnittliche fünf Prozent. Ursächlich für den Anstieg in der Sekundarstufe II ist laut Schulministerin Ute Schäfer (SPD), dass in den vor sieben bis neun Jahren gegründeten Schulen die noch fehlenden Oberstufen-Jahrgänge eingerichtet werden.
In Ostwestfalen-Lippe gibt es nach Angaben der Bezirksregierung im laufenden Schuljahr 23 staatliche Gesamtschulen, unter denen 20 Schulen bis Klasse 13 voll ausgebaut sind. Davon haben zwei im Abschlussjahrgang weniger als 30 Schüler, neun bis zu 40 Schüler und vier bis zu 50 Abiturienten. Themen der Zeit: Hintergrund und Leitartikel

Artikel vom 03.12.2004