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Wie ein schöner Traum

Zum 90. Todestag des Malers Hermann Stenner

Bielefeld (uj). »Der Erste Weltkrieg war - in Deutschland wie in allen kriegführenden Nationen -Ê auch ein Krieg der künstlerischen Avantgarde«, schreibt Markus Pöhlmann in einer Abhandlung über den Maler Hermann Stenner im Ersten Weltkrieg.

Im August 1914 meldet sich Stenner als Kriegsfreiwilliger zum Grenadierregiment »Königin Olga«. Am 5. Dezember des gleichen Jahres fällt der in Bielefeld geborene Stenner im Alter von nur 23 Jahren in Polen. Anlässlich des 90. Todestages erinnert der Freundeskreis Hermann Stenner an einen bedeutenden Künstler des ostwestfälischen Expressionismus, dessen kunsthistorische Bedeutung über die regionale Geltung hinaus heute unumstritten ist.
1891 als Sohn des Malermeisters Hugo Stenner in Bielefeld geboren, beginnt Stenner 1909 sein Kunststudium an der Akademie in München und setzt es 1910 an der Stuttgarter Akademie fort. Als Schüler von Adolf Hölzel kann er bereits 1912 eines der dortigen Meisterateliers beziehen.
Bei seinem Tod hinterlässt der Maler 300 Gemälde, mehr als 1500 Aquarelle und Zeichnungen sowie einige druckgrafische Werke von beeindruckender Qualität. »In einem knappen halben Jahrzehnt vollzieht sich in seiner Arbeit eine rasante Entwicklung, die die maßgeblichen Positionen der Moderne von einem späten Impressionismus über einen Expressionismus mit starker Farbigkeit und betonter Formgebung bis zu einem stark abstrahierenden Bildaufbau der letzten Bilder durchläuft. Stenner wahrt dabei stets seine künstlerische Autonomie und eigene Koloristik. Die Entwicklung zeigt ihn 1914 auf der Höhe der künstlerischen Avantgarde der Zeit. Der frühe Kriegstod des jungen Künstlers macht die reife Entfaltung seiner Arbeit zunichte«, würdigt Dr. Jutta Hülsewig-Johnen von der Kunsthalle Bielefeld das Werk des Künstlers in einer Publikation des Stenner-Freundeskreises.
Mit dem Anliegen, das Andenken an Leben und Werk des Malers zu pflegen und sich für die Erhaltung und Verbreitung seines Werkes einzusetzen, wurde der Freundeskreis Hermann Stenner im Jahre 1997 gegründet. Dies geschieht vor allem durch die Anregung und Förderung von Ausstellungen und die Herausgabe und Unterstützung von Publikationen, wie sie jetzt von Markus Pöhlmann vorliegt, der anhand von Briefen und kriegsgeschichtlichen Quellen die letzten Lebensmonate Hermann Stenners im Ersten Weltkrieg nachzeichnete. Stenners kathartische Erwartungen an den Krieg gingen demnach schon bald unter den Eindrücken von Hunger, körperlicher Ermattung, Tod und Elend unter: »Mein ganzes früheres Leben ist wie ein einziger wunderschöner Traum, verglichen mit der rauhen Wirklichkeit, in der ich jetzt lebe«, schreibt er bereits Anfang Oktober an seine Eltern. Es sind die letzten Lebenszeichen eines jungen Künstlers, dessen früher Kriegstod die reife Entfaltung seiner Arbeit zunichte macht.

Artikel vom 04.12.2004