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Im Stoffrevier ist jeden
Tag Schnäppchenjagd

Restetruhe feiert 50. Geburtstag mit Sonderaktionen

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). Das verwinkelte Geschäft am Kesselbrink ist Kult - und hat inzwischen 14 Ableger in Ostwestfalen und im Ruhrgebiet. Die Restetruhe wird 50 Jahre, eine der traditionsreichen Adressen in Sachen Stoffe und Gardinen. Der Erfolg ist ungebrochen; die Verschönerung der eigenen vier Wände steht eben bei den Bielefeldern hoch im Kurs.

Michael Kosog geht es wie vielen Kindern der fünfziger Jahre: In Sachen Restetruhe fällt dem heutigen Geschäftsführer des Unternehmens zunächst der Einkauf mit der Mutter ein, in einem Gedränge zwischen Stoffballen und Preistafeln. Ähnlich geht es auch Martin Perl. Der Sohn des Firmengründers Heinz Perl, heute in erster Linie für das Gardinengeschäft verantwortlich, kann sich an die turbulenten Schlussverkäufe am Kesselbrink erinnern, von denen noch heute vergilbte Fotografien berichten.
Die Geburtsstunde der Restetruhe schlug 1954. Im Nachkriegsdeutschland stand Nähen hoch im Kurs. Zudem gab es in Bielefeld als einer Hochburg in der Textilproduktion natürlich auch anfallende Mengen an Stoffresten. Nähen ist auch heute noch angesagt - oder gerade wieder. Der Umsatz mit Stoffen ist seit Jahren unverändert, bilanziert Michael Kosog. Kosog hatte die Tochter von Firmengründer Walter Remelsky geheiratet. An Remelsky erinnern im Büro über dem Kesselbrink zahlreiche Fotos. Im schicken dunklen Anzug stand der Kaufmann wie ein Fels in der Brandung an der mechanischen »Anker«-Kasse, während rund um ihn die Bielefelder Hausfrauen auf turbulenter Schnäppchenjagd für Stoffe zu einer Mark waren.
Die erste Restetruhe hatte es an der Stelle des heutigen Polizeipräsidiums auf ganzen 30 Quadratmetern gegeben. Das Geschäft boomte, der Umzug in den Neubau am Kesselbrink wurde dringend nötig. Bis heute schlägt das Herz der Stoffmärkte in den typischen Geschäftshaus mit stilechten 50er-Jahre-Treppengeländer. Auch auf die originale Neonwerbung am Haus legt man, so Kosog, besonderen Wert, pflegt die Technik und lässt Ersatzröhren eigens anfertigen.
Inzwischen bringt es die Restetruhe, die im Ruhrgebiet und in Westfalen vornehmlich in Einkaufspassagen und Fußgängerzonen firmiert, auf insgesamt 14 Standorte. Der Stammsitz in Bielefeld ist mit dem Kesselbrink vom pulsierenden Innenstadtplatz an den Rand der City gerückt und städtebaulich vernachlässigt. Busbahnhof und Straßenbahn gibt es nicht mehr, bedauert Kosog.
Dafür gibt es in der Restetruhe, sehr zur Freude der Kundschaft aus dem weiten Umland, ein Höchstmaß an Dienstleistung rund um Gardinen und Dekoration, natürlich eine eigene Anfertigung und ein Deko-Team, welches vor Ort beim Kunden aufmisst oder liefert. Viele Kunden, erzählt Martin Perl, lassen die Gardinen nähen, hängen sie aber selbst auf und dekorieren: »Die Verschönerung des eigenen Heims steht obenan.« Und ganz eifrige Kunden beginnen in der Restetruhe sogar ganz am Anfang, bei N wie Nähkurs. Dieses Angebot, weiß Perl, ist eigentlich immer nachgefragt, aber auch fast immer ausgebucht.

Artikel vom 04.12.2004