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Menschen in
unserer Stadt
Vedrana Karamovic
Friseurin

Nach Deutschland gekommen ist Vedrana Karamovic ohne Spielsachen, ohne Gepäck, ohne Geld, nur mit dem, was sie auf dem Leibe trug. Zehn Jahre alt war sie damals, als ihre Familie die Heimat aufgeben musste.
Der Vater bosnischer Moslem, die Mutter kroatische Katholikin, die ältere Schwester jenseits der Grenze in Bosnien geboren, Vedrana Karamovic in Kroatien in Slavonski Brod, 200 km südöstlich von Zagreb - soviel Multikulti ängstigte Politiker, Militärs und Nachbarn in dem kriegszerrissenen Land. »Mein Vater wollte nicht in der Armee auf Landsleute schießen, da warfen die Soldaten unsere Habe aus dem Fenster.« Unten gafften die »Freunde«. Einer steckte den Behörden, dass die Karamovics Kontakte nach Deutschland hatten: »Um ein Haar wären wir an der Grenze verhaftet und ins Lager gesteckt worden.«
Vor zwölf Jahren hat Vedrana Karamovic jeden Tag geweint. Dann biss sie die Zähne zusammen. Sie konnte kein Deutsch - längst spricht sie akzentfrei. Sie wollte zur weiterführenden Schule - natürlich schaffte sie die Mittlere Reife. Eine Lehrstelle musste her - heute weist ein Zeugnis die mehrfache Wettbewerbssiegerin als innungsbeste Friseurin aus. »Im Salon Büttner am Oberntorwall fühle ich mich superwohl«, schwärmt die 22-Jährige von Chef, Kollegen und Betriebsklima.
Der Vater fährt Lkw, die Mutter arbeitet in der Bäckerei, die Schwester, gelernte Arzthelferin, macht Babypause. »Wir haben uns für den Neuanfang entschieden, nicht fürs Sozialamt.« Ein serbisches (!) Mädchen half Vedrana Karamovic über die erste schwere Zeit hinweg; seit fünf Jahren hat sie einen deutschen Freund, einen evangelischen, den die Liebe nicht nur zur hübschen Kroatin, sondern auch zur kroatischen (Urlaubs-)Landschaft gepackt hat. »Und jetzt möchte ich Patin eines notleidenden Kindes werden, vielleicht in Indien.«
Eine Erfolgsgeschichte aus Jammerland. »Ich verrate Ihnen was: Mit Spielzeug prall gefüllte Kinderzimmer, genug zu essen, gute Löhne und ein engmaschiges soziales Netz, jahrzehntelanger Frieden - wenn es allen Menschen so schlecht ginge wie hier in Deutschland, wären sie die glücklichsten der Welt!«
Da ist was dran, Vedrana. Matthias Meyer zur Heyde

Artikel vom 04.12.2004