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Ein kleiner Waschbär auf dem Balkon

Unerwarteter »Gast« begehrte bei Familie Schnitger in Jöllenbeck Einlass

Sennestadt (oh). Der Ehemann war bereits aus dem Haus zur Arbeit, die beiden kleinen Kinder krank im Bett - Nadine Schnitger wurde es höchst mulmig zumute, als sie gestern um sieben Uhr in der Frühe plötzlich dieses merkwürdige Gerappel an der Balkontür ihrer Wohnung in Jöllenbeck, Am Buschkotten 1, hörte.

Zumal die junge Frau wegen der Dunkelheit draußen zunächst nicht erkennen konnte, wer oder was dieses Geräusch verursachte. »Vielleicht ist die Jalousie verklemmt und der Wind rüttelt daran« vermutete Nadine Schnitger und zog am Gurt des Lichtschutzes. Mit höchst ungewöhnlichen Folgen: Aus dem Jalousie-Kasten löste sich ein dunkles Etwas und plumpste direkt vor dem Wohnzimmerfester auf dem Balkon. Ein Waschbär - wie sich bei näherer Betrachtung und zur Freude der vierjährigen Tochter Nina herausstellte.
Sie hätte den pelzigen Gast am liebsten »für immer« behalten und taufte ihn kurzerhand »Waschi«. Dieser zeigte sich jedoch völlig unbeeindruckt von den aufgeregten Menschen auf der anderen Seite der Balkontür. Und auch der empört bellenden Familienhund, Labrador »Paula«, schien »Waschi« nicht einzuschüchtern. Mit neugierigen Augen schaute er vielmehr Mensch und Hund an und begehrte durch Kratzen an der Tür Einlass ins Wohnzimmer.
»Das war mir aber nicht geheuer«, schildert Nadine Schnitger die Situation. »Obwohl der Waschbär einen sehr friedlichen, fast zutraulichen Eindruck machte.« Als erstes informierte sie ihren Mann am Arbeitsplatz über den unerwarteten Besuch. Seine Idee, »Waschi« dem Tierpark Olderdissen anzudienen, stieß dort jedoch auf Ablehnung. Man habe schon genügend Waschbären, erfuhren die Schnitgers am Telefon.
»Mein netter Nachbar hat dann für mich die Feuerwehr angerufen und die haben uns zwei Jäger mit einer Lebendfalle vorbeigeschickt«, erzählt die junge Frau. Derweil hatte es sich »Waschi« vor der Balkontür bequem gemacht, putzte sich und rollte sich dort für einige Stunden zu einem Schläfchen zusammen. Auch vor den beiden Jägern zeigte er keine Angst, ließ sich willig mit einer Handvoll Trockenobst in die Falle locken.
Weil die Jäger meinten, dass dies ein zahmer Waschbär sein könnte, der irgendwo ausgebüxt ist, bat Nadine Schnitger das Tierheim Senne um Hilfe. Dorthin wurde »Waschi« dann von ihr und Schwiegervater Helmut Schnitger per Falle und Auto verfrachtet.
Doch damit schien der Waschbär absolut nicht einverstanden zu sein. Das zuvor so friedliche, Tier gebärdete sich unversehens aggressiv. Mit wütendem Knurren und Fauchen wehrte er sich dagegen, »seine« Falle zu verlassen und eine Box im Tierheim zu beziehen.
»Auch wenn sich der Waschbär plötzlich so wütend zeigte, kann er vielleicht doch ein zahmes Tier sein, das jemand vermisst«, sagt Tierheimleiterin Barbara Snelting. »Der Stress kann das Wildtier, das ein Waschbär eigentlich ist, wieder in ihm hervorgebracht haben.« Falls sich in den nächsten Tagen jedoch niemand meldet, der »Waschi« vermisst, soll er an einem geeigneten Ort wieder in die Freiheit entlassen werden.

Artikel vom 02.12.2004