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Kultur als Medikament
gegen das Sinndefizit

4. Bielefelder Forum: »Festivalisierung der Städte«


Bielefeld (bp). »Kein Einkaufscenter, keine Mall und keine Erlebniswelt kann mit einer vitalen Stadt konkurrieren,« zeigte sich Oberbürgermeister Eberhard David überzeugt. Er begrüßte gestern in der Stadthalle die knapp 100 Teilnehmer des 4. Bielefelder Forums, das diesmal unter dem Motto »Die Festivalisierung der Städte - Stadtmarketing zwischen Event-Tam-Tam und Stadt-Kultur« stand. Prof. Walter Siebel (Oldenburg) prägte den Begriff der »Festivalisierung der Stadtpolitik«; Siebel war auch einer der Referenten. Er sprach über den Wandel des öffentlichen Raums, Andreas Reiter aus Wien stellte urbane Freizeit- und Konsum-Trends vor, Prof. Dr. Ilse Helbrecht (Bremen) fragte: »Amüsieren wir uns zu Tode?«
David erklärte, im Stadtmarketing gehe es um Identität. Ziel sei es, sich nicht abzugrenzen, sondern nach der »eigenen Stimme im Konzert Vieler« zu suchen. Für Hans-Rudolf Holtkamp, Geschäftsführer der Bielefeld Marketing, gehören »Stadtbespielungen, Festivals, Events« genau so zum Alltag der Städte wie ein »gut sortierter Einzelhandel und eine funktionierende Infrastruktur«. Bürger und Besucher würden »nach immer neuen Formen öffentlicher Unterhaltung« rufen, Stadtmarketing-Einrichtungen würden mitspielen und sich mittlerweile regelrecht überbieten bei der »Bespielung des öffentlichen Raums mit immer neuen Spektakeln und Erlebniswelten«.
Andreas Reiter glaubt, dass Kultur zu einem »Medikament gegen Sinndefizit, zum Kompass für die orientierungslose Gesellschaft« geworden sei. Für Prof. Walter Siebel ist es gerade die »Unvollkommenheit der öffentlichen Planung in den innerstädtischen Geschäftsstraßen, die öffentliche Räume überhaupt erst ermöglicht. Für Prof. Ilse Helbrecht ist ein Fest ein »Möglichkeitsraum«. Sie stellte die Unterschiede zwischen Fest, Ereignis und Event heraus. Hans-Rudolf Holtkamp glaubt, dass die scheinbar so oberflächlichen Events Gefühle für eine Stadt wecken und Bindungen fördern können: »Unsere Aufgabe ist es, Bilder zu erzeugen - mit reiner Information ist es nicht getan, wichtig sind emotionale Erlebnisse, an die man sich gern erinnert und die man mit einem Ort verbindet.«

Artikel vom 01.12.2004