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Fliegender Holländer und
musikalisches Feuerwerk

André Rieu eroberte die Seidenstickerhalle im Sturm


Von Michael Diekmann und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). So sind sie, die Holländer. Manche kommen zum Wandern in den Teutoburger Wald, andere zum Musizieren in großer Besetzung. In jedem Fall gelten Holländer als kurzweilige und gesellige Erzähler. André Rieu jedenfalls ist seit seinem Auftritt am Dienstag der festen Überzeugung, dass Bielefeld in Lippe liegt.
Und das ist gut so: Schließlich hat der engagierte Zaubergeiger aus Maastricht zu Beginn seines Konzertes in der Seidenstickerhalle den gesamten Saal eifrig das Lied von den frechgewordenen Römern und der legendären Varus-Schlacht singen lassen. Zudem hatten die Lipper auf die ins Publikum gerichtete Frage nach der Herkunft am lautesten geantwortet.
Angetan vom Konzerterfolg war jedenfalls nicht nur das Auditorium (das war ganz aus dem Häuschen), sondern auch der Hauptakteur Rieu, der seine Fangemeinde wissen ließ: »Es war ein herrliches Konzert hier bei euch in Lippe.«
Zugegeben, der Konzertauftakt erfüllte nicht so ganz die Erwartungen aller mehr als 3000 anwesenden Fans des Violinenstars, der sich nicht nur auf einen flotten Strich mit dem Bogen versteht. Die Anmoderation als Hobbyarchäologe mit römischen Ausgranungen in Bielefeld war doch etwas zu sehr aufgesetzt.
Dass ein Konzertabend mit André Rieu viel mehr zu bieten hat, erfuhren die Fans bei einem gelungenen Abend: Rieu reist per Autobus mit einem ausgezeichneten Orchester, einem Dutzend bildhübscher Geigerinnen, dazu drei ganz hervoragenden Tenören und drei nicht weniger guten Gesangssolistinnen. Zudem gilt der zum Opernball in Wien gern geäußerte Auftakt »Alles Walzer« beim Walzerkönig schon lange nicht mehr. Die musikalische Spannbreitereicht von der Polka über Walzer und Marsch bis zu genau jenen Ausschnitten aus Musical und Operette, die ganz bestimmt zu den absoluten Ohrwürmern gehören. Rieu weiß, wie man sein Publikum begeistert - inklusive fünf Zugaben und einem furiosen Finale mit Sternenhimmel. Schade nur, dass angesichts der Moderationen mit Überlänge etwas von Rieus Musikalität verlorengeht, er zu sehr den Part des Generalmusikdirektors oder des Gottschalk am Notenständer übernimmt. Und auch die Seidenstickerhalle passt - bei aller Multifunktionalität - überhaupt nicht in Rieus heile Konzertwelt.

Artikel vom 02.12.2004