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Auch nach dem Abtransport der Leichen blieb der Südring zwischen Auffahrt Ostwestfalen-Damm und Duisburger Straße bis gegen 13 Uhr gesperrt.

An Hauptschule Senne
herrscht tiefe Trauer

Großes Entsetzen nach dem Tod der beiden Mitschüler

Von Jens Heinze und
Carsten Borgmeier (Fotos)
Bielefeld (WB). Zwei tote Schüler, ein lebensgefährlich verletzter Zwölfjähriger - der schwere Lkw-Unfall auf dem Südring hat gestern in ganz Bielefeld und weit über die Stadtgrenzen hinaus Trauer und Entsetzen ausgelöst. Die Kinder und Jugendlichen von der betroffenen Hauptschule Senne lagen sich weinend in den Armen, nachdem am Vormittag die Nachricht vom schrecklichen Unglück verbreitet worden war.

»Das ist eine Katastrophe. Wir müssen erst einmal wirklich trauern. Wir brauchen viele, viele Tage, um den schlimmen Vorfall aufzuarbeiten«, sagte der Leiter der Hauptschule Senne, Hartmut Bondzio. Nachdem bekannt geworden war, dass die türkischstämmigen Sechstklässler Gernaz Y. (11) und Haydar A. (13) von einem 40-Tonner überrollt und getötet worden waren, ihr Freund und Klassenkamerad Abdulkadir A. (12) mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen im Krankenhaus Gilead 1 lag, wurde der Unterricht für die 320 Hauptschüler in den 15 Klassen sofort abgebrochen. Vier Pastöre, ein islamischer Geistlicher, fünf Notfallbegleiter und eine Psychologin von der Schulberatungsstelle waren nach Senne an die Klashofstraße geeilt, um den Kindern und Jugendlichen beim Verarbeiten des ersten großen Schmerzes beizustehen. »Das war uns eine große Hilfe«, so Rektor Bondzio.
Trotz der Seelsorger und der Psychologin kam es vor der Hauptschule zu herzzerreißenden Szenen. Schüler brachen nach Bekanntwerden der Todesnachrichten weinend zusammen, mussten von Freunden gestützt werden. Am Freitag wollen Lehrer und Schüler bei einer Trauerfeier von Gernaz Y. (11) und Haydar A. (13) Abschied nehmen. Rektor Hartmut Bondzio und sein Stellvertreter Arnold Stiegert hatten bereits gestern den Familien der getöteten Jungen persönlich ihr Beileid ausgesprochen.
Auch die hartgesottenen Retter von der Berufsfeuerwehr waren vom Unfalleinsatz, der bei vierstündiger Vollsperrung des Südringes ein Verkehrschaos in Brackwede auslöste, tief betroffenen. Hauptbrandmeister Günter Ziemann (»Das ist an den Kollegen nicht spurlos vorbei gegangen!«) war als einer der ersten an der Unglücksstelle. Die beiden toten Jungen, berichtete er, fanden die Rettungskräfte unter dem 40 Tonnen schweren Getränkelaster liegend vor. Der schwerst verletzte Zwölfjährige war auf die Straße geschleudert worden. Um eines der Todesopfer zu bergen, musste die Wehr Hebekissen unter den Lkw legen - der Junge war von der Drillingsachse des Aufliegers begraben worden.
Vorwürfe gegen die Schulleitung in Senne, sie habe zum gestrigen Schulsporttag die Sechstklässler ohne Lehreraufsicht zur Eisbahn anreisen lassen, wies Hauptschulrektor Bondzio zurück. »Der Weg zur Eisbahn war bereits in der 5. Klasse geübt worden. Außerdem waren alle Eltern vor dem Sporttag schriftlich informiert worden«, so Bondzio. Trotzdem werde nun überlegt, ob Sporttage außerhalb der Schule künftig nicht unter Komplett-Aufsicht durchgeführt werden sollten.
Die Polizei, die gestern den Unglücks-Sattelzug beschlagnahmte, ermittelt heute weiter, wie es zum tödlichen Unfall kommen konnte. Ein wichtiger Zeuge ist Lkw-Fahrer Dieter Luthardt (50) aus Erfurt, der im Stau auf der rechten Südring-Fahrspur in Richtung Ostwestfalen-Damm-Auffahrt stand. Vor seinen Augen waren die Hauptschüler vom 40-Tonner aus Kleve auf der linken Überholspur erfasst worden. Luthardt: »Die Fußgängerampel neben mir zeigte noch Rotlicht, als die Kinder auf die Straße liefen.«

Artikel vom 01.12.2004