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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Dr.Dr. Markus Jacobs


Sind Sie auch noch nicht in Adventsstimmung? Nervt es Sie, wenn Sie überall auf das heranrückende Fest hingewiesen werden? Empfinden Sie es vielleicht sogar als unangenehme Drohung, dass jetzt alles wieder so friedlich und besinnlich sein soll, wo Sie doch im Augenblick überhaupt nicht weniger zu tun haben als sonst das ganze Jahr über?
Damit wir uns nicht missverstehen: Es geht nicht um Weihnachtswerbung und »Leise rieselt der Schnee« in allen Kaufhäusern. Das ist nur die ständig früher einsetzende kommerzielle Vermarktung. Lassen wir die mal ganz beiseite. Gemeint ist statt dessen wirklich die kirchlich eingeläutete Adventszeit, die mit dem heutigen Abend beginnt.
Wenn Ihnen also auch der Adventskranz in der Wohnung irgendwie verfrüht kommt, dann gehören Sie zu jener Mehrheit unserer Bürger, die jedes Jahr vom Beginn der Vorbereitung auf Weihnachten »kalt erwischt« werden. Zu Ihrer Beruhigung möchte ich deshalb die Behauptung aufstellen: Dieses Gefühl lässt sich gar nicht vermeiden!
Denn Weihnachten ist eben keine Jahreszeit, die sich schon mit dem Fallen der Blätter und mit dem ersten Schnee ankündigt. Wer allein durch die Kälte und schöne Schneeflächen »vorweihnachtliche Gefühle« bekommt, der ist - in der Sprache der Psychologie - zwar »operant konditioniert«, hat aber noch keinen Bezug zum eigentlichen Fest entwickelt. Denn es gehörte zu den frühen psychologischen Experimenten, Hunde jedes Mal beim Hinschieben des Futternapfes auch ein Glöckchen hören zu lassen. Innerhalb kürzester Zeit lief diesen Hunden der Speichel auch schon dann im Mund zusammen, wenn sie nur das Glöckchen hörten. Die Hunde meinten also, Hunger zu haben oder Essen zu bekommen, obwohl doch eigentlich nur das »zufällige« Glöckchen erklungen war. Auf uns Menschen und die Adventszeit übertragen: Wer nur durch den nahenden Winter vorweihnachtliche Gefühle zu haben meint, ginge ohnehin am Wesentlichen vorbei. Denn vergessen Sie nicht, dass die Hälfte der Weltbevölkerung gerade vor dem Höhepunkt eines heißen Sommers steht und dabei sich ebenfalls auf Weihnachten vorbereiten will.
Weihnachten und seine Vorbereitung müssen also aus anderen Einflüssen gespeist werden. Die adventlichen Texte in unseren Kirchen stellen deshalb auch keine Winterlandschaften vor Augen. Es geht statt dessen um Menschen und deren Entscheidung, für Gottes Ankunft vorbereitet zu sein. Die Bibeltexte am Anfang des Advents sprechen sogar von der Wiederkehr Gottes am Ende der Zeiten, bzw. im Moment des Todes eines jeden von uns. Mit schönen Gefühlen hat das sehr wenig zu tun. Die folgenden Wochen stellen dann einige solcher biblischer Personen vor Augen, die vom Einbruch Gottes in ihr Leben »kalt erwischt« wurden.
Deshalb kann es eigentlich keinen Beginn der Adventszeit geben, der einen Menschen nicht in einem Teil seines Herzens »kalt erwischen« würde. Das liegt in der Natur der Sache. Auf den Winter wird man innerlich durch den Herbst vorbereitet, auf Weihnachten aber nicht. Gott ist überraschend neu in seine Schöpfung hineingekommen. Das Geschenk dieser Ankunft hat ungeheuren Herzensfrieden bei denen ausgelöst, die es an sich heranließen. Und solch ein innerer Friede ist eben kein Dauerzustand unserer Gesellschaft. Der Anspruch eines solchen friedlich-liebevollen Einbruchs Gottes trifft immer und jeden ungenügend vorbereitet an.
Diese Einsicht soll aber nicht davon ablenken, dass jetzt eine Art innere Anstrengung vonnöten ist. Denn wer in knapp vier Wochen nicht nur ein Mittwinterfest begehen möchte, der tut tatsächlich gut daran, dem Frieden Gottes in sich selbst den Boden zu bereiten.

Artikel vom 27.11.2004