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NRW vernachlässigt Bildung

Wirtschaftsinstitut: zu große Klassen, zu wenig Unterrichtsstunden

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Zu wenig Unterricht, zu wenig Professoren: Bei der Bildung ist Nordrhein-Westfalen nur Mittelmaß. Mit 4142 von 9700 möglichen Punkten kam NRW bei einem Vergleich der Bundesländer durch zehn Wissenschaftler des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln auf Platz 11.

An Gymnasien werde in der Sekundarstufe I mit 30,9 Stunden 2,2 Stunden weniger als im Bundesdurchschnitt unterrichtet, bemängeln die Wissenschaftler. Dabei beziehen sie sich auf Angaben für das Jahr 2002. Außerdem sei die finanzielle Ausstattung der Hochschulen mangelhaft. Mit 30 Studenten pro Lehrendem weise NRW das schlechteste Betreuungsverhältnis an Hochschulen auf.
Im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) werteten die Wissenschaftler alle bis September 2004 verfügbaren Daten in den Bereichen Grundschulen, allgemeinbildende Schulen, berufliche Bildung und Hochschulen aus und fassten die Ergebnisse im »Bildungsmonitor Deutschland« zusammen.
»Zum erstenmal sind vom Vorschulkind bis zum Doktoranden alle Bundesländer nach 105 Kriterien untersucht worden«, sagte Jens Walter von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) gestern dieser Zeitung. Zu den Kriterien zählten Abiturientenquote, Schüler-Lehrer-Relation, Bildungsausgaben und Umfang der Ganztagsbetreuung. Bei der INSM handelt es sich um eine überparteiliche, von der Wirtschaft unterstützte Einrichtung mit dem Ziel, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Der Bildungsmonitor bestätigt das bereits beim internationalen Schülerleistungsvergleich PISA aufgetretene Süd-Nord-Gefälle. Bayern und Baden-Württemberg schnitten erneut am besten ab. Allerdings schränkte Jens Walter ein: »Trotz nationaler Spitzenstellung lägen diese Bundesländer international nur im Mittelfeld.«
Bezogen auf die Sekundarstufe I hat Nordrhein-Westfalen mit 26,3 Schülern die größten Klassen in Deutschland. Bei den Bildungsausgaben pro Student liegt das Land mit 146 Euro deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 203 Euro. Dagegen schneidet NRW bei der Förderung von Ausländerkindern und der Abschlussquote an Gymnasien, Haupt-, Real- und Gesamtschulen gut ab. Knapp 30 Prozent der Jugendlichen schaffen die Hochschulreife. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 24,8 Prozent.
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft fordert die Bildungspolitiker auf, Bundesländer übergreifende Mindestanforderungen für die Schulausbildung festzulegen und hochbegabte Kinder zu fördern. Jens Walter: »Je mehr junge Menschen einen hohen Bildungsabschluss erwerben, desto eher kann Deutschland die Anforderungen der Wissensgesellschaft erfüllen.« Das exportabhängige Land könne nicht verkraften, dass talentierte, aber nicht geförderte Wissenschaftler auswandern.

Artikel vom 26.11.2004