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Zeitgeist genau getroffen

Cannes-Erfolgsfilm »Die fetten Jahre sind vorbei« läuft nun an


Über ein halbes Jahr musste das Publikum warten, bis Hans Weingartners Film mit dem vielleicht prophetischen Titel »Die fetten Jahre sind vorbei« den Weg vom Wettbewerb des Festivals in Cannes in die deutschen Kinos gefunden hat. In Cannes durchbrach die Punktlandung in Sachen Zeitgeist nach elf Jahren die »Verbannung« deutscher Filme vom Wettbewerb. In den Kinos kann das Werk jetzt zeigen, dass es vollkommen zu Recht zu den besten deutschen Produktionen des Jahres gezählt werden kann.
Globalisierungsgegner gegen Villenbesitzer, Idealisten gegen Realisten, Utopie gegen Resignation, Jung gegen Alt - Weingartner ergreift mit Nachdruck Partei für, wie er sagt, »jugendliche revolutionäre Energie«. Doch abgesehen vom gesellschaftlichen Kontext ist sein Werk auch eine meisterlich sparsam erzählte Liebes- und Freundschaftsgeschichte mit den fantastischen Darstellern Daniel Brühl, Julia Jentsch und Stipe Erceg.
Eine pompöse Villa in Berlin: Die Eigentümer kehren aus dem Urlaub zurück und sind entsetzt. Die Möbel stehen grotesk aufgetürmt und verschoben, die HiFi-Anlage friert im Kühlschrank und die Meißner Porzellanfiguren liegen in der Kloschüssel. Aber nichts wurde geklaut, es ist etwas hinzukommen: Ein Zettel mit dem Text »Die fetten Jahre sind vorbei«. Manchmal hinterlassen Jan (Brühl) und Peter (Erceg) ihren Opfern auch die schlichte Nachricht »Sie haben zuviel Geld« und unterzeichnen als »Die Erziehungsberechtigten«. Jule, die mit ihrem Auto mal einem großen Mercedes hinten drauf gefahren ist und vorher ihre Versicherung nicht bezahlt hatte. Nun ist sie mit 94 600 Euro verschuldet und verliert ihre Wohnung.
Jule zieht bei Jan und Peter ein. Sie sei jetzt lebenslang die »Leibeigene« des Mercedesfahrers, regt sich Jan auf. Beim nächsten Coup ist dessen Haus dran. Doch es geht was schief und so haben die »Erziehungsberechtigten« eine Geisel (Burkhart Klaussner) am Hals.

Artikel vom 25.11.2004